Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Alexander Becher mit Wein aufzudrängen. Er sah sich nach Wasser um, goß einen Becher voll und nippte.
» Du willst nüchtern bleiben– heute? Ehe du König wirst?« Eumenes war schon zu betrunken, um noch gerade zu stehen; er stützte sich schwer auf Leonnatos und stierte Alexander an.
Alexander hob kurz die Schultern, lächelte und nickte Drakon zu, der sich zu Perdikkas gesetzt hatte und den Becher hob.
Irgendwann stand Alexander auf, beinahe unbemerkt. Er verließ den Saal und wanderte durch den Palast. In den Gängen brannten Fackeln und Lampen. Je weiter er kam, um so stiller wurde es; der Lärm aus dem Festsaal verebbte, und die Schritte der Posten im Hof kamen wie aus weiter Ferne. Im Treppenhaus saßen Wachen; sie sprangen auf und grüßten, die Hand auf der Brust; Alexander lächelte und ging weiter, Treppen hinauf und hinab, Gänge entlang. Vor den Räumen, die einmal Olympias bewohnt hatte, blieb er kurz stehen. Eine Sklavin, die vor der Tür auf einer Matte schlief, wimmerte im Traum. Von drinnen hörte er das leise Summen einer Frau, das Schmatzen und Gurgeln eines Säuglings, dann ein zufriedenes Giggeln. Er starrte die Wand an, die Philipp im Gang hatte mauern lassen; die Tür war geöffnet. Er ging hindurch, mit weichen Schritten, fast wie ein Schlafwandler, streckte den rechten Arm aus, ließ die Fingerkuppen am Gemäuer schrappen. Dann wieder treppab, immer tiefer, vorbei an weiteren Wachen; eine halboffene Tür zog ihn an, und er betrat die riesige, von zuckenden Schatten erfüllte Küche. Der Lagerraum nebenan, nur durch einen Ledervorhang abgetrennt, quoll über von all dem, was für den nächsten Tag gebraucht wurde: halbe Schweine; Ochsenhälften; Hunderte kopflos tropfender Hühner, gerupft und ausgenommen; Bottiche mit lebenden Flußfischen, Seewasserwannen mit Meerestieren; gewalzte, zum Backen vorbereitete Brotfladen; Berge von Würsten und Schinken; ungeheure Mengen von Obst und Gemüse; große Gestelle voller Amphoren.
Er ging zurück in die Küche, gefolgt vom matten Schnappen und den Flossenschlägen der Fische, vom Plätschern des Wassers. Im riesigen gemauerten Herd glomm noch ein Rest Glut unter der Asche; in der Höhlung darunter, auf dem Boden, türmten sich ausgeglühte Holzkohlenschlacke, Asche und Abfall. Die Restglut, ein einsames Öllämpchen auf einem Tisch mit Schlachtermessern, eine zu drei Vierteln niedergebrannte Fackel gaben Zwielicht und zeugten Schatten. Er stand einen Moment vor den Gerüsten mit zahllosen Kesseln und Gefäßen. Dann ging er zurück zum Tisch, zögerte, schaute sich um. Er wimmerte leise, ließ sich auf die Knie nieder, kroch unter den Herd, wühlte sich in Asche und Abfall, zog die Knie an die Brust und umklammerte die Unterschenkel mit den Händen, unausgesetzt murmelnd.
Lange lag er so. Er hörte ferne Schritte, wie ungenaue Wassertropfen; er hörte den Gesang der Fische in ihren Bottichen und das Heulen der geschlachteten Hühner; er hörte die Schuppen der Schlange, die um die Welt kroch; er hörte das Malmen des Sandkorns, das eine Stadt zerdrückte; er sah als stechende Flamme den Schrei der Möwe, die sich in einen Dorn stürzt; er roch Kassia und Sesamöl, kydonische Äpfel und den blutigen Leibschurz der Königin und die Eingeweide des Widders; er fühlte die Gedärme der Nacht um seinen Hals und Splitter im Salböl der Worte und die Augen die seine Seele ritzten; er schmeckte die Qual einer reißenden Saite, das Sprudeln von Bernstein und zottige Zungen. Er atmete Feuer, die Morgensonne auf blutiger Klinge.
Langsam dehnte er sich, streckte sich, kroch aus der Höhlung. Taumelnd kam er auf die Beine und wankte zum Tisch. Mit zuckenden Fingern strich er über die Messer, die Klingen, die Griffe. Ein schlanker, spitzer Stahl, die Klinge eines zum Ausweiden benutzten Messers, deutete auf ihn, auf seine Lenden. Er berührte den Horngriff und stöhnte. Er ließ das Messer wieder los. Er begann leise zu summen, schaukelte den Oberkörper vor und zurück. Aus den Augenwinkeln sah er das Schlachterbeil, das im Hackklotz steckte. Er riß es heraus, hielt es hoch, legte den linken Arm auf den Klotz, legte die Klinge des Beils aufs Handgelenk.
Ein Geräusch, vom Lagerraum her. Alexander fuhr herum. Einen der Deckel mußte er wohl offengelassen haben; ein Aal war aus dem Zuber entkommen und wand sich über die Steine. Er tötete ihn mit dem Beil, hackte den peitschenden Leib in tausend Stückchen, zermalmte den Kopf mit der flachen Klinge. Das
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