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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Beil ließ er auf dem Boden liegen, als er wieder zum Herd ging, mit schnellen sicheren Schritten. Er kniete, füllte die Hände mit Asche und Dreck, beschmierte sich Haar, Gesicht und Arme, zerriß den weißen Chiton und rieb Asche und Abfall über die Fetzen.
    Am Rand der Stadt, wo sich die Wiesen zum Kanal senkten, saß zwischen zwei Häusern ein Bettler mit zerrissenen Kleidern, verschmiert von Asche und Dreck. Leute kamen aus der Gasse, einige der zahllosen Kämpfer, Bewohner der Stadt, allesamt angelockt von Feuern, von Lampen und Gelächter, Musik und Kreischen auf der Wiese. Drakon ging vorüber, der Arzt des Königs, langsam, die Augen am Boden; ein fetter rotwangiger Mann mit Schmuck an den Händen und im Ohr watschelte über die Wiese. Der Bettler sah nichts; er summte leise vor sich hin, der Oberkörper pendelte vor und zurück; sein Haar stand zu Berge, die Augen waren verdreht und wirr, die rechte Hand hielt er ausgestreckt. Einer der wandernden Philosophen kam vorbei, sah ihn, spuckte ihm in die Hand und ging weiter. Zwei Hopliten, beide betrunken, Arm in Arm; einer blieb stehen und warf dem Bettler eine Münze in die Handfläche.
    Alexanders Faust schloß sich. Er hob sie vor die Augen, öffnete langsam die Finger, starrte die kleine Silbermünze an wie ungläubig; dann kam er schwerfällig auf die Füße und stolperte durchs schartige Dunkel zu den Feuern. Die Musik brach ab, nur das pulsierende Pochen von Trommeln setzte sich fort, wurde lauter, wilder, schneller. Ein Feuerfresser erbrach Glut vor einem Karren; ein Schwertschlucker zeigte die Klinge herum, damit die Leute sehen konnten, daß sie echt war. Schlangenbeschwörer und Ringer, Gaukler und Wahrsager; ein paar Männer und Frauen tanzten, umrissen von den Feuern, die sich wie zuckende Schlangen im Wasser des Kanals spiegelten, unter den Bäumen, jenseits der Sträucher. Alexander starrte einem Mann nach, der einen gewaltigen Bären an einer Leine herumzerrte und ihn tanzen ließ. Er spielte immer noch mit der Münze und ging dann zu einem der Karren, vor dem eine alte Frau saß und Dinge hütete, die wahrscheinlich einer Gruppe von Pantomimen gehörten: Tücher, Töpfe, Dosen.
    Alexander berührte sie an der Schulter. » Hier ist eine Münze für dich, Mutter. Ich brauche Schminke– aber schau nicht hin.«
    Die Alte nahm das Geld, deutete auf die kleinen Gefäße und lächelte wie verträumt. » Keine Sorge, Junge; ich bin blind.« Ihre Augen waren Schlitze, die Haut gelblich.
    Alexander kauerte nieder und starrte in die Töpfchen und Dosen; er drehte einen beschlagenen Metallspiegel hin und her, der das Lodern mehrerer Feuer bündelte und ihn blendete. Irgendwo brach ein Streit aus; er hörte schrille Stimmen, Gebrüll, einen Schrei, dann ging das Fest weiter. Die wahnsinnigen Trommeln wurden ein wenig leiser; in der Nähe spielte ein Kitharist schnelle Läufe, Einzeltöne, dann fremdartig klingende, unhellenische Vier- und Fünfklänge, immer im Rhythmus der Trommeln. Ein beißend heller Aulos fiel ein, andere Instrumente kamen hinzu. Vom nächsten Feuer stieg eine Wolke verbrannten Hammelfetts auf; es stank nach Wein und Körpern und feuchter Erde.
    Alexander stand auf; von seinem zerfetzten Chiton riß er einen langen Tuchstreifen ab. Er ging in einem weiten Bogen um die Feuer, die Tanzenden, die Trinkenden zum Kanal, kniete zwischen den Sträuchern an der Böschung. Der nicht ganz volle Mond machte das Wasser zu leicht gekräuselter Molke. Fledermäuse rasten durch den Himmel; eine Eule schrie, und die Luft zwischen den Sträuchern war voll vom schweren Duft des Geißblatts. Etwas anderes mischte sich darunter, nicht nur Harn und Kot; etwas Schärferes.
    Er beugte sich über das Wasser und betrachtete das Gesicht des hübschen Hermaphroditen, die hellroten Lippen, die geschwungenen Brauen, die dunklen Lider, die durch Ocker und Asche betonten Wangenknochen. Er tauchte den Tuchfetzen ins Wasser und reinigte, so gut es ging, sein verdrecktes Haar, ohne das Gesicht zu verschmieren.
    Der scharfe Geruch wurde deutlicher; in der Nähe kroch etwas über den Boden, bog Halme und Sträucher; ein Ächzen und Knurren, das plötzlich endete. Alexander ließ den Tuchfetzen fallen, zog das Messer aus dem Gürtel und ging dem Ruch und dem erstorbenen Geräusch nach.
    Ein Dutzend Schritte weiter, zwischen den Sträuchern am Ufer, fand er den Leichnam eines Mannes. Vielleicht war er es gewesen, der vorhin bei dem Streit jenen schrillen Schrei

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