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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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den Versammelten. Aristoteles kniff die Augen zusammen und musterte den neuen König, der dort drüben scheinbar ungerührt im Jubel stand. Es war nicht der verwirrte Junge vom Vorabend. Aristoteles blickte Drakon und Demaratos von der Seite an; beide waren versunken in das Schauspiel.
    Alexander hob die rechte Hand. Der Lärm wurde leiser, endete, endete doch nicht, verwandelte sich zu etwas, das Aristoteles schon einmal gehört hatte: jenes unglaubliche Girren der Männer, wie damals auf dem Platz außerhalb der Stadt.
    Alexander lächelte. Seine Stimme, hell und kühl, trug weit, füllte den Hof, drang durch die offenen Tore bis zur Menge, die vor dem Palast stand.
    » Ich danke euch– euch allen. Ich will euch jetzt nicht langweilen mit den Dingen, die gemeinsam zu tun sind, oder der Art, wie Philipps Herrschaft vollendet werden sollte. Ich nehme an, ihr werdet das öfter hören, als einigen von euch lieb ist.«
    Viele lachten; eine kräuselnde Kicherwelle breitete sich im Hof aus und verebbte.
    » Hinter euch, drüben, ist für jeden ein Tropfen Wein und ein Krümel Brot bereitet.« Er wies auf die Bratfeuer, die Platten mit gebratenen Fischen, die Türme gebratener Hühner, die Wälle von Amphoren. Wieder flackerte Gelächter auf.
    » Eßt, trinkt, seid fröhlich, Freunde. Wir werden bald zu euch kommen– sobald wir fertig sind mit den Dingen, die getan werden müssen. Was man so Arbeit nennt. Und eine Bitte: Betrinkt euch nicht zu früh zu gründlich. Vielleicht brauche ich heute noch euren nüchternen Rat.«
    Der Beratungsraum füllte sich schnell. Medios war nicht dabei; die Kleinarbeit, die eigentlichen Herrschergeschäfte waren nicht Sache der Fürsten, sondern der Offiziere, der Beamten, der vom König berufenen Berater. Demetrios kümmerte sich um die Belange im Hof, Archelaos um den Palast, Aristandros um die Götter. Die beiden Hellenen und der Arzt setzten sich an den langen Tisch, als Alexander sie mit einem knappen Lächeln und Handbewegungen dazu aufforderte. Ferner waren anwesend Antipatros, Alexandros von Epeiros, Antigonos, Kleitos, Eumenes, Perdikkas, Hephaistion, Hekataios, Leonnatos und Seleukos, außerdem fünf Schreiber. Diener brachten Wein, Wasser, Becher, Platten mit dampfendem Braten, Obst und Brot herein.
    Antipatros sah zufrieden aus, aber auch ein wenig beunruhigt. » Das wäre das. Kommen wir zur Sache. Ah, wie fühlst du dich, Alexander?«
    Antigonos schüttelte leicht den Kopf. » Er sieht besser aus als gestern, Antipatros, aber man fragt einen König nicht, wie es ihm geht. Man bittet ihn zu führen.«
    Alexander schien müde, aber hellwach; sein Gesicht war anders als am Vortag. Härter und weicher zugleich. Er spürte Aristoteles’ Blicke und nickte ihm zu. » Bittet man den König wirklich?« sagte er. Es war keine Frage.
    Antipatros hatte den Unterton offenbar überhört. Er betrachtete die jungen Gefährten und schob die Unterlippe vor. » Perdikkas, Hephaistion, Seleukos, Leonnatos, Hekataios; hm. Ich hab ja nichts dagegen, daß du deine Freunde zum Feiern mitbringst, es ist dein Tag; aber wir haben wichtige Dinge zu bereden.«
    Alexander nickte. Seine Züge veränderten sich nicht, nur der Ausdruck der Augen: Er wurde schärfer, wie die Stimme.
    » So ist es, Antipatros. Wichtige Dinge. Mein Vater pflegte zu sagen, er könne schlafen, weil du wachst. Wirst du auch für mich wachen?«
    Antipatros hob den Becher. Seine Stimme klang trocken und angespannt. » Wenn dies der Wunsch des Königs ist.«
    » Es ist der Wunsch des Königs.« Alexander lächelte nicht mehr. » Da Parmenion nicht hier ist, muß ich mich auf euch beide als die Ältesten verlassen, Antipatros– und Antigonos.«
    Antigonos faltete die Hände auf dem Tisch. » Wir sind Diener des Herrschers der Makedonen. Sprich.«
    » Ich brauche keine Diener– nicht hier, nicht in dieser Runde. Ich brauche Freunde und Gefährten.«
    Antipatros nickte; Antigonos grinste schwach. » Dann sprich als Freund und Gefährte. Aber sag uns, Freund Alexander, Gefährte König, wie kommt es, daß du heute– anders bist?«
    Alexander schien einen Moment nach innen zu schauen. » Es war eine lange Nacht, Antigonos. Manche Nächte sind länger als andere. Einige können ein ganzes Leben umfassen. Ich habe Dinge gesehen, gehört und getan. Ich habe erfahren, daß es gut ist, Augen zu haben und Arme und Hände. Und sie nutzen zu können. Kleitos, deine Schwester gab mir ihre Milch, als ich klein war. Nun gib du mir dein

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