Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
später selbst.«
Er schloß einen Moment die Augen; schnell und genau nannte er Festungen, Truppenstärken, Namen von Befehlshabern, den Umfang von Verstärkungen, wohin diese zu verlegen seien, welche Vorkehrungen für den Herbst und Winter man treffen solle.
Eumenes und Leonnatos gingen mit dem Schreiber hinaus. Kleitos lächelte mühsam.
» Das hast du alles im Kopf? Wozu brauchst du uns?«
» Um mir zu sagen, ob es stimmt.« Alexander sah ihm in die Augen. » Du und Antigonos, ihr werdet heute noch reisen. Wir müssen schnell handeln. Die Illyrer, die Paionen, die Thraker, sie alle werden im Herbst ernten und Wintervorräte anlegen. Und im Winter schleifen sie die Waffen. Im Frühjahr fallen sie über uns her. Wenn wir sie nicht daran hindern. Die Hellenen sind schneller– und selbst wenn sie abwarten, wir können es uns nicht leisten, auch sie im Frühjahr gegen uns zu haben. Nicht alle gleichzeitig.« Er starrte auf seine Hände, überlegte, holte tief Luft. » Heute sollen sie feiern, morgen ausschlafen. Übermorgen breche ich mit allem auf, was Pella entbehren kann. Ihr reitet heute, ihr nehmt unterwegs jeden Mann mit, der nicht unbedingt in den Festungen gebraucht wird. Die Söldner aus dem Süden, Kreter, Sikelioten, was auch immer, schickt nach Pella. Antipatros und Leonnatos und Demetrios übernehmen sie, für die Nordgrenzen. Alle Thraker, Paionen, Triballer, Illyrer mit euch nach Süden. Sichert das Tempe-Tal, rückt durch Thessalien vor. Wir treffen uns… zwischen Pherai und Kynoskephalai.«
» Was hast du vor?« Zum ersten Mal sprach Antipatros.
Alexander grinste; einen Moment sah er aus wie ein Junge, der einen Streich ausheckt. » Wir wollen doch nicht, daß Demosthenes sich unnötig Mühe macht.« Er klang ganz sanft, fast liebevoll. » Ich möchte die Thermopylen besetzen, ehe die Athener und Thebaner Zeit haben, große Pläne zu machen. Dann hätten wir im Frühjahr den Rücken frei, wenn wir in den Norden ziehen.«
» Was ist mit Asien?«
Alexander seufzte; seine Augen hatten wieder jenen fernen, sehnsüchtigen Ausdruck. Leise sagte er: » Lieber gestern als heute würde ich… Aber es hat keinen Sinn, nach Asien aufzubrechen, wenn Hellas und der Norden nicht vollkommen ruhig und für Jahre gesichert sind.– Wie lange werdet ihr brauchen?«
Antigonos und Kleitos sahen einander an; beide wirkten wie betäubt, überrannt und am Weg zurückgeblieben. Aber auch begeistert; das Feuer begann zu glimmen.
» Bis zum Tempe-Tal? Bis Pherai? Bis zu den Thermopylen?« Antigonos kniff sein heiles Auge zu. » Vorräte. Waffen. Münzen. Packtiere. Karren. Alles, was dazugehört?«
Kleitos murmelte Zahlen; dann hustete er und schaute auf. » Dreißig Tage. Von hier bis Kynoskephalai.«
Alexander lächelte. » Ich werde in fünfundzwanzig Tagen die Thermopylen besetzen. Wollt ihr nicht dabei sein?«
Antigonos stöhnte dumpf und hob die Hände; Kleitos kaute auf einem Stück Wangenfleisch, das er zwischen die Backenzähne gezogen hatte. Dann stand er auf und schlug Antigonos auf die Schulter; den Beutel mit Rollen schob er Demaratos zu.
» Auf, Einauge. Du mußt dein Schwert striegeln, deine Frau gürten und dich von deinem Pferd verabschieden. Oder so.«
» Wir werden den Mittag betrachten, zusammen, unten im Hof. Mit einem Schluck. Dann reitet ihr.« Alexander lächelte beiden zu, als sie gingen, dann wandte er sich an Demaratos. » Nun?«
Der Korinther deutete auf Perdikkas. » Laß ihn beginnen. Wir wollen ein Bild zusammensetzen. Es wird keinem gefallen.«
Perdikkas leerte seinen Becher, legte das Bratenstück fort, an dem er geknabbert hatte, und betrachtete Alexander.
» Im Verlies von Aigai habe ich dich zum ersten Mal gesehen, König.« Seine Stimme war rauh. » Heute bist zu zehn Jahre älter. Wo soll ich beginnen?«
» Vorn.«
Perdikkas hielt sich mit beiden Händen an seinem leeren Becher fest; Aristoteles lächelte mild und goß Wasser nach, dann Wein.
» Zur Klärung– Alexandros, der dritte Bruder, wußte nichts. Sie haben ihn nicht eingeweiht; sie waren mißtrauisch. Pausanias ist vor Jahren von Attalos entehrt worden; ihr kennt die Geschichte. Philipp hat ihm damals befohlen, sich nicht zu rächen, sondern die Rache dem König zu übertragen– und die Ehre. Diese Bergfürsten– Pausanias ist, ah, war Oreste– haben da ja strenge Vorstellungen. Als Philipp die Nichte von Attalos zur Königin gemacht hat, übernahm er, für Pausanias, auch die Schande, die für einen
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