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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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dir noch einige Bilder zu zeigen. Sie werden dir helfen, das zu sehen, was aus ihnen wird– geworden ist, auch ohne jeden Schritt des langen Weges zu kennen, den sie zurücklegen mußten. Es wird uns viel Zeit ersparen. Und viel Gerede.«
    » Kannst du mir auch dazu verhelfen, den unendlichen und unsinnigen Wirrwarr der hellenischen Bruderkriege zu verstehen?«
    Aristoteles lächelte; seine Stimme war voller Spott. » Wie denn, da ich selbst nichts davon begreife?«
    » Der Heilige Krieg, der Bundesgenossenkrieg, die unaufhörlich wechselnden Bündnisse…«
    Aristoteles hielt das Amulett hoch und starrte ins Auge des Horos. » Es sind die Einzelheiten, die alles so wirr machen. Wenn man das große Bild zusammensetzt, wird alles klarer.«
    » Haben wir denn die Zeit? Kannst du mir, wie es deinem Denken gemäß wäre, alle Einzelheiten geben, damit ich mein Bild selbst zusammensetze?«
    » Nicht mehr. Das Wasser rinnt aus der Klepsydra meines Lebens; bald wird das Uhrwerk stillstehen. Aber ich kann tun, was Platon täte– dir mein Bild erläutern, damit du es hinterher bedenkst und vielleicht verwirfst.« Er lächelte.
    » Wenn du sehr geschickt bist, kannst du echte Einzelheiten und falsche oder tückische Verknüpfungen zu einem in sich trefflichen, die Wahrheit glänzend verfälschenden Bild zusammenfügen.«
    » Fürwahr. Es bleibt aber nichts anderes übrig. Du wirst mir vertrauen müssen– wie einem Dichter, der Wirklichkeit entstellt, aber ein Kunstwerk liefert, das eine neue Wirklichkeit und in sich richtig ist; oder einem Dolmetscher oder Übersetzer von Schriften, dessen Werk vielleicht ein neues Kunstwerk ist, ohne die Wahrheit dessen wiederzugeben, das er zu übersetzen behauptet.«
    » Gib mir dein großes Bild, Aristoteles. Ich will es später prüfen.«
    Aristoteles schwieg eine Weile; er ließ das Amulett sinken und starrte an die Balken der Decke. » Das große Bild… Beginnen wir mit den Mächten. Es gab immer hellenische Großmächte nach Spartas Niedergang– lange Zeit waren es Athen und Sparta. Beide hatten Feinde und Bundesgenossen, beide prägten ein ausgewogenes System von Beziehungen, um die eigene Macht und den eigenen Nutzen zu mehren und den des anderen zu mindern. Wenn einer schwächer wurde, führte das nicht zur Übermacht des anderen, da neue Mächte auftauchten, die das Geflecht wieder ausglichen– Theben, zum Beispiel. Oder Persien griff ein, um zu verhindern, daß eine der hellenischen Mächte zu stark wurde. Die Pflanzstädte an der Küste Asiens gehörten zu diesem System, ebenso die Inseln, in manchen Jahren sogar Teile Ägyptens, natürlich die sikeliotischen und italischen Städte wie Syrakus und Tarent. Erinnere dich, daß Athen und Sparta Heere und große Flotten entsandten, um dort einzugreifen.
    Athen hat lange Zeit im Norden die Dinge bestimmt. Athen braucht den Weizen von jenseits des Bosporos, vom Euxeinischen Meer. Deshalb versucht Athen, die Stadt Byzantion zu beherrschen, die an der Meerenge liegt. Athen braucht, da die Vorräte an Edelmetallen in Attika nicht ausreichen, das Pangaion-Gebirge mit seinen Bergwerken; deshalb bemüht sich Athen, die Küstenstädte zu beherrschen, die verschiedenen thrakischen Völker und Könige gegeneinander auszuspielen. Wenn die Perser nach Thrakien übergreifen, schürt Athen Aufstände in Asien, um die Gewichte wieder auszugleichen.
    Philipp hat Makedonien groß gemacht; das konnte er nur, indem er Gebiete eroberte, die zuvor Athen unterstanden. Er hat also nichts anderes getan als die Athener auch. Demosthenes selbst hat es ja gesagt, in seiner ersten Rede gegen Philipp. › Philipp machte von seinem Kriegsrecht Gebrauch und schloß Bündnisse und Freundschaften‹, so sagte er damals: keinerlei Unrecht. Philipp hatte das Recht, zu tun, was er tat, aber er bedrohte damit die Macht und den Wohlstand Athens, wie vorher Athen Makedonien bedroht und zerstückelt hatte.
    Es ist bei alledem, und dies zu bedenken wiegt schwer, niemals um Recht und Unrecht gegangen; wie es überhaupt zwischen Staaten niemals um etwas anderes geht als um Nutzen und Macht. Es geht aber auch innerhalb der einzelnen Staaten oder Städte nicht um Gut und Böse, sondern um Nutzen.«
    Aristoteles streckte die Hand aus und deutete auf Peukestas. » Glaub nicht, ich hätte immer so gedacht; ich spreche jetzt mit der Vernunft des Greises, nicht mit der Überzeugung des Mannes. Vernunft und Überzeugtheit schließen einander fast immer aus. Wie ich feststellen

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