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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Plünderungen lassen nach, enden; der Platz füllt sich mit verdreckten, verlausten, verkommenen Kriegern– tausend, vielleicht fünfzehnhundert Mann. Sie drängen sich auf der Agora und in den Gassen; ein kleiner Trupp, die Speere ausgerichtet, treibt eine Gruppe Offiziere herbei.
    Parmenion sitzt auf dem Pferd, stumm, gleichgültig. Irgendwo kreischen Frauen; ein brennendes Haus stürzt krachend zusammen. Emes schaut sich um; verblüfft stellt er fest, daß von den etwa vierhundert Söldnern kaum dreißig geblieben sind. Dann sieht er die anderen; sie haben sich am Rand des Platzes verteilt. Einige halten gespannte Bogen in Händen, andere blanke Schwerter, die nicht verdreckt sind. Wieder andere sind in die Gassen eingedrungen und kommen zurück, mit Plünderern, die sie entwaffnet haben.
    Parmenion hat vor sich zu Boden gestarrt; nun hebt er den Kopf. Er wendet sich an einen der zusammengetriebenen Offiziere.
    » Wo seid ihr gewesen, Tolmides?«
    Es ist, als ob die vielen Kämpfer nicht da wären. Der Offizier schluckt, ehe er antwortet.
    » Die meisten in der Stadt, Herr; einige im Lager.«
    Parmenion nickt. » Die im Lager waren und dies hier nicht verhindern konnten, sind schlechte Offiziere; sie werden viel zu lernen haben. Ihr anderen, Fürstensöhne, die ihr gemeint habt, euch stünden weiche Betten in der Stadt zu, während eure Männer draußen in Nässe und Kälte lagern, ihr seid keine Offiziere des Königs. Geht heim zu euren Müttern; sie werden euch in Windeln wickeln und euch mit dem Lied von eurer Schande in den Schlaf singen.«
    Einer der einfachen Hopliten schreit: » Sie gehen nicht; sie werden hängen!« Andere johlen.
    Parmenion wartet, bis es wieder still ist. » Ich hatte nicht mit dir gesprochen, Andronikos aus Edessa. Warte, bis dein Stratege dir einen Befehl erteilt.« Seine Stimme, kalt und ohne Spur einer Erregung, hallt über die Agora. Die Kämpfer knurren und bewegen sich unruhig.
    » Geht nach Hause, Kinder. Kommt wieder, wenn ihr erwachsen seid und auch die Niederlage mit Würde tragen könnt. Ihr seid entlassen– Bauern und Arbeiter Makedoniens. Der König kann euch für seine großen, ruhmreichen Ziele nicht verwenden.«
    » Wo warst du denn die ganze Zeit?« ruft einer. » Warum hast du uns nicht geführt?«
    Parmenion hebt ganz kurz eine Braue. » Geführt, Thoas? Führt man einen Haufen Schweine? Oder doch eher Krieger? Ich war bei euch, die ganze Zeit; ich habe gegessen, was ihr gegessen habt; ich habe im Dreck geschlafen wie ihr; meine Befehle sind nicht befolgt worden, trotzdem habe ich euch nicht verlassen. Wenn sie so kindlich geworden sind, dachte ich, muß der Vater bei ihnen bleiben, damit er sie an der Hand nehmen kann, wenn sie die Hand ausstrecken. Ihr habt die Hand aber nicht ausgestreckt, ihr habt am Daumen gelutscht und vor euch hin gewimmert. Wenn sich vom Kopf der Säule ein schwerer Stein löst, fängt man ihn nicht auf, um ihn wieder zu verwenden; man läßt ihn fallen, stürzen, aufschlagen, um zu sehen, ob er stark genug ist, ob er heil bleibt oder zerbricht. Ihr seid zersplittert. Wer mit Philipp und Parmenion auf den Gipfel steigen will, darf nicht beim ersten Stolpern aufgeben. Ihr seid nicht wert, den Sieg zu erringen– ihr, die ihr die Niederlage nicht ertragt. Geht heim. Und wenn ihr in einem Jahr von den großen Siegen hört, dem Triumph, dem Ruhm und dem Reichtum anderer, wirklicher Krieger, dann erinnert euch, daß ihr hättet dabeisein können.« Er wartet einen Atemzug lang; dann setzt er, fast mild, hinzu: » Geht heim; spielt mit Klötzchen, die euch nicht weh tun.«
    Emes hält den Atem an; der Lärm auf der Agora betäubt ihn. Er sieht die schreienden, fuchtelnden Krieger; sieht, daß einige sich gegen andere wenden; sieht die schweigsamen, regungslosen Söldner am Rand; sieht Parmenion auf dem Pferd, wie ein Standbild.
    Einer der älteren Hopliten tritt schließlich vor, als es ruhiger geworden ist. » Herr, wir wollen nicht heimgehen. Du hast uns aus einem bösen Traum geweckt. Führ uns weiter, Parmenion!«
    Der Stratege schüttelt den Kopf. » Geht heim, Kinder. Wenn ihr Männer wärt, würdet ihr euch nicht hinter der Ausrede von einem Traum verbergen. Habt ihr denn geträumt, als ihr eure Offiziere getötet, die Stadt in Brand gesteckt, Frauen geschändet und Häuser geplündert habt? Seid ihr Schlafwandler? Ich kann Schlafwandler nicht zum Sieg führen; sie könnten im falschen Augenblick gähnen.«
    Die entsetzliche Spannung

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