Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
jetzt, heute, den Großkönig gegen uns aufbringen und einen gewaltigen Krieg gegen Persien anzetteln?«
Der Stratege klingt mehr als sarkastisch. » Und Athen ist das Herz, die Leber, der Nabel all dessen, was Hellas ausmacht? So daß wir, wie gesagt wurde, niemals hellenische Orte in die Hände von Barbaren fallen lassen dürfen? Barbaren wie die Makedonen, die Hellenen sind, oder? Hab ich jedenfalls gehört.« Er schielt zu Demosthenes hinüber » Oder Barbaren wie die Perser, die…«
Eubulos unterbricht ihn; seine Stimme ist scharf. » Was immer wer auch immer ist– es gibt einen Unterschied zwischen dem, was vielleicht gut sein mag, und dem, was sicher nützlich ist. Nützlich für Athen. Wir können uns gegen Theben oder Makedonien stellen, aber nicht gegen Asiens Unendlichkeit und die Macht des Großkönigs. Und was mich und die Kassen der Stadt angeht– wer sollte denn genug bezahlen können, um ein ausreichend großes Heer gegen alle Macht Asiens ins Feld zu schicken?«
Demosthenes hüstelt und steckt die Kiesel in den Mund. » Das können wir uns nicht leisten, wie wir alle wissen. Aber warum fragst du nicht deine asiatischen Freunde, unsere hellenischen Verwandten, ob sie vielleicht weitere Söldner anwerben möchten? Die Städte in Asien waren so lange frei und sind so wohlhabend, sie können ein großes Heer weit besser bezahlen als wir…«
Der Stratege schneidet eine Grimasse, dreht sich um und stampft hinaus.
Eubulos seufzt und blickt Demosthenes an. » Was mich allein angeht, ich hätte vielleicht zugestimmt. Aber nach deiner glänzenden Rede konnten die Athener zu diesem weiteren Anschlag auf ihre Schätze und ihre Kriegstüchtigkeit doch nur nein sagen, und ich… Nun ja. Manchmal frage ich mich, was aus dir noch werden kann. Und aus mir. Ich glaube, du hast gewisse Dinge viel zu schnell gelernt.«
Demosthenes lächelt mild. » Großer Eubulos– wie kannst du so etwas sagen? Habe ich dir nicht gut gedient, all die Jahre?«
» Zu gut.– Ach, es hat keine Bedeutung. Alles geht einmal zu Ende. Aber sag mir, glaubst du selbst wirklich an das, was du den Athenern gesagt hast? Daß Persien keine Gefahr für uns ist? Daß der Großkönig die Städte in Asien nur symbolisch beherrschen wird, statt sie zu unterdrücken? Daß unser Geld besser in neuen Abwassergruben und in Rüstung gegen Philipp aufgehoben ist?«
Demosthenes, der bisher an der Säule gelehnt hat, steht auf, mit sehr geradem Rücken. Eubulos kneift die Augen zusammen und scheint ihn zum erstenmal wirklich wahrzunehmen. Demosthenes’ Stimme ist unendlich sicher.
» Ich glaube Teile davon. Die Städte drüben stinken vor Reichtum. Warum soll Athen den Kopf hinhalten? Außerdem versucht Artaxerxes nur, Persien nach einigen Jahrzehnten der Schwäche wieder so stark zu machen, wie es vor vierzig Jahren war. Das wird sehr lange dauern; wenn es ihm überhaupt gelingt. Bis dahin sollten wir an Dinge denken, die uns näher sind. Philipp, zum Beispiel.«
Eubulos verzieht das Gesicht. » Nicht schon wieder… Philipp versucht auch nichts anderes als Artaxerxes; er will Makedonien stark machen, zu einem gleichwertigen Nachbarn für Athen werden.«
Demosthenes blinzelt. » Er möchte, daß wir das glauben. Aber wenn er stark genug ist, wird er vom Nachbarn zum Feind werden und uns seinen Willen aufzwingen. Wenn wir jetzt nicht vorbeugen, könnte es bald zu spät sein.«
» Wenn wir ihm entgegentreten, wie du willst, und ihn an Dingen hindern, die ihm helfen und uns nicht schaden, dann machen wir ihn zweifellos zu unserem Feind. Im Moment verfolgt er Pläne, die gut für ganz Hellas sind. Gut für Makedonien und für Athen.«
Demosthenes verschränkt die Arme; sein Gesicht ist kalt. » Nichts ist gleichzeitig gut für ihn und uns, Eubulos. Für uns gibt es nur Athen, danach lange Zeit nichts, und dann Philipp noch längst nicht. Wenn wir Philipp als gleichrangig hinnähmen, wäre Athen nicht mehr der erste Staat. Und wir, ah, du und ich, hätten keine Bedeutung mehr.«
Eubulos blickt ihm nach, mit einer Grimasse, als er den Raum verläßt. Demosthenes geht schnell, ohne zu stolpern oder zu zögern. Er überquert mehrere kleine Plätze, geht durch enge Gassen und kommt schließlich zu einer schäbigen Taverne. Er geht durch den Innenraum, betritt den Hof; dahinter liegt ein langes niedriges Gebäude. Demosthenes klatscht in die Hände. Ein dunkelhäutiger Sklave erscheint.
» Wo ist der Phöniker?«
Der Sklave zuckt mit den Schultern.
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