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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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der König hat ein langes Schwert gepackt, hält es mit beiden Händen. Seine wuchtigen Hiebe haben drei oder vier Gegner gefällt; die taumelnde, schlängelnde Reihe der makedonischen Fußkämpfer scheint an Philipp zu hängen wie nasses Tuch an einem unverrückbaren Pflock. Hinter ihm sammeln sich halbbewaffnete, leichtverwundete, schon aus dem Kampf ausgeschiedene oder noch nicht einsatzbereite Männer. Von irgendwo kommt ein Pfeil, trifft Philipps Backenknochen und bleibt in seinem rechten Auge stecken.
    Es ist, als ob alle es sähen, als ob alle wüßten, daß in diesem Moment die Schlacht entschieden ist. Für ein paar Atemzüge scheint der Kampflärm abzuebben. Philipp taumelt. Dann klemmt er das lange Schwert zwischen die Knie, legt beide Hände um den Schaft des Pfeils und zerrt daran. Mit einem schschllpp reißt er den Pfeil heraus; der Augapfel steckt auf der Pfeilspitze. Aus der leeren Augenhöhle sickern Blut und Grus. Philipp starrt den Pfeil an, das linke Auge sieht den rechten Augapfel. Er pflückt den Apfel. Er wirft den Apfel in die Luft. Er schleudert den Pfeil ins Gedränge, trifft die Schulter eines methonischen Unterführers. Philipp packt sein Schwert, hebt es, stürzt sich mit furchtbarem Gebrüll auf die zurückweichenden Gegner, wie ein rasender Büffel. Die Makedonen, die Gefährten zu Fuß, die Leichtbewaffneten, die Söldner, alle eigentlich längst mutlos und geschlagen, folgen ihm, stoßen nach. Von rechts, im Laufschritt, die ersten drei Reihen mit gesenkten, die hinteren mit erhobenen Sarissen, greifen die halbnackten Kämpfer unter Führung des Antigonos ein, zertrümmern die methonischen Reihen, werfen sie zurück. Dann kommen Parmenions Reiter: aus dem Kampf herausgehalten, zurückgezogen, gerüstet, angewiesen, endlich losgelassen. Wie ein langer wuchtiger Sichelhieb mähen sie die hinteren Reihen der Methonen nieder, schneiden ihnen den Rückweg zur Stadt ab. Noch am selben Abend leert Philipp auf der Agora von Methone einen goldenen Becher und schleudert ihn ins Halbdunkel, zwischen die Feuer, die Fackeln, die Feiernden, die Betrunkenen, die brennenden Häuser. Drakon ist bei ihm, kaut auf Lorbeerblättern und versucht immer wieder, die Wange und die Augenhöhle des Königs zu pflegen.
    Tage später, mitten in der Nacht, reitet Philipp in Pella ein. Im Innenhof des Palasts begrüßt er Antipatros, nickt den Wachen zu, springt vom Pferd, reckt die Arme, löst den Waffengurt, läuft ins Treppenhaus, treppauf, einen Gang entlang, bleibt stehen, geht langsam und leise weiter. Vor der Tür zu Olympias’ Gemächern fährt eine junge Sklavin auf, die in eine Decke gewickelt auf dem Boden geschlafen hat. Philipp legt den Finger auf seine Lippen, öffnet die Tür, tritt fast geräuschlos ein.
    Das Schlafgemach der Königin ist halbdunkel; zwei Öllampen und eine Fackel, dazu ein dumpf glühendes Kohlenbecken geben ein wenig Licht. Neben Olympias’ breitem Bett steht ein kleineres. Alexander liegt darin; er schläft ruhig. Sehr leise, sehr sanft, sehr langsam geht Philipp zum Bett seines kleinen Sohns, kniet nieder und streckt die Hand aus, um Alexander zu streicheln. Dabei summt und surrt er leise. Alexanders ruhiges Gesicht verzieht sich zu einem Lächeln; er bewegt sich im Schlaf, schmiegt das Gesicht in Philipps Hand, die Lider flattern. Er öffnet die Augen. Mit einer entsetzlichen Zuckung erwacht er, reißt die Augen auf, stößt ein hohes gellendes Kreischen aus; sein Gesicht ist wie von einem Albtraum verzerrt. Er starrt in die gräßliche eiternde schartige Wunde, wo einmal das rechte Auge war.
    Philipp, immer noch auf einem Knie, taumelt zurück, streckt dann erneut die Hand, um den Kleinen zu trösten. » Söhnchen«, sagt er halblaut, » ich bin’s doch nur.« Unendliche Müdigkeit, unendliche Trauer schwingen mit. Alexander zieht die Decke übers Gesicht, springt dann aus dem Bett und läuft wimmernd zu Olympias, versteckt sich unter ihrer Decke.
    Olympias ist wach; sie sitzt und mustert Philipp. Ein seltsames Lächeln kriecht über ihr Gesicht. Philipp steht auf, kommt zu ihr, streckt die rechte Hand aus. Die Königin hat ein Bärenfell bis zum Hals um sich gewickelt. Nun lockert sie es, läßt es auf die Hüften fallen.
    Um ihren Hals, den Kopf zwischen den Brüsten, ringelt sich die Schlange des Ammon. Philipp hebt die Hände, stößt einen Würgelaut aus.
    » Kein Platz für dich, Herr von Barbaren.« Olympias’ Stimme ist leise und scharf, beinahe ein

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