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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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drei Raucher, der linke war noch frei. Manchmal fragte ich mich in letzter Zeit, ob vielleicht in Zukunft die Raucher den gesünderen Teil der Bevölkerung stellen würden, weil sie sich so viel im Freien aufhielten.
    »Schön, dass Sie trotz dem ganzen Stress gekommen sind«, sagte Pretorius nach dem ersten tiefen Zug an seiner Dunhill. »Sie haben bestimmt einen bewegten Tag hinter sich.«
    »Ach, wenn man schon mal auf einen Wein eingeladen wird. Das kann ich mir bei meinem Einkommen nicht entgehen lassen.«
    Pretorius fand meine Erwiderung zum Lachen. Ich lachte nicht mit, sondern nippte an meinem Grauburgunder, der mir heute nicht schmecken wollte.
    »Sie wohnen hier in der Nähe?«, fragte ich, nur um etwas zu sagen.
    Er schnippte die Asche in einen großen Keramikaschenbecher.
    »In Neckargemünd. Im Sommer ist die Luft da draußen besser. Und man findet hie und da sogar einen Parkplatz.«
    »Sie fahren seit Neuestem einen Lamborghini, habe ich gehört. War Ihnen der Porsche nicht mehr schnell genug?«
    Pretorius warf mir einen halb amüsierten, halb misstrauischen Seitenblick zu. »Stehe ich unter Polizeischutz?«
    Zwei der anderen Raucher gingen fröstelnd hinein. Auch mir war schon jetzt kalt. Ich schlang die Arme um den Oberkörper.
    »Ich weiß gerne, mit wem ich es zu tun habe. Ihre Geschäfte scheinen in letzter Zeit ausgesprochen gut zu gehen.«
    »Mit dem Finanzamt haben Sie also auch schon gesprochen.« Jetzt lachte er wieder.
    »Was sind das für Fälle, mit denen Sie sich herumschlagen? Ehebruch? Versicherungsbetrug? Schwarzarbeit?«
    »In Sachen Ehebruch ermitteln wir kaum noch. Man fühlt sich nicht so toll, wenn man wieder mal irgendeinem Idioten von Ehemann den Beweis dafür liefert, dass seine vernachlässigte Frau ein bisschen Glück gefunden hat. Das Geld bringen heute vor allem die Wirtschaftssachen. Industriespionage, Mitarbeiter, die zu oft krank sind oder nebenher für die Konkurrenz arbeiten.«
    Die Neonleuchten über der Straße schwankten im Wind.
    »Sie scheinen ein unerschütterlicher Optimist zu sein.«
    Erstaunt sah Pretorius mich an. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sagen wir mal so: Mir ist eine gewisse Diskrepanz aufgefallen zwischen dem, was Sie einnehmen, und dem, was Sie ausgeben.«
    Eine Weile sah er nachdenklich zum Himmel, wo Wolken in rascher Folge den Vollmond verdunkelten und wieder freigaben, als spielten sie Fangen mit ihm.
    »Sehen Sie, Herr Gerlach, bei den Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts hat man die Toten in Millionen gezählt.« Pretorius war plötzlich sehr ernst. »Bei dem, was demnächst auf uns zukommt, werden es ein paar Nullen mehr sein.« Er sah mir ins Gesicht. »Und ich will mir in meiner letzten Sekunde nicht vorwerfen müssen, etwas verpasst zu haben. Was meinen Sie wohl, wen die Schulden eines gewissen René Pretorius interessieren, wenn die ganze Welt in die Grütze geht?«
    »Sie sind ganz schön zynisch.«
    Bedächtig trat er seine bis auf den Filter heruntergerauchte Zigarette aus, bückte sich dann, hob den Stummel auf und legte ihn artig in den Aschenbecher.
    »Wissen Sie, was ich glaube?«, sagte er mit allmählich alkoholschwerer Zunge. »Beim Untergang der Titanic hätten Sie versucht, so viele zu retten, wie Sie nur konnten. Ich dagegen wäre unten bei denen gewesen, die sich bis zum letzten Moment an der Bar festgehalten haben. Erstens, weil es sich viel angenehmer ersäuft, wenn man besoffen ist. Und zweitens, weil alle Drinks umsonst waren.« Mit vor Kälte leicht zitternden Händen steckte er sich eine neue Zigarette an. »Und wissen Sie, was die Pointe der Geschichte ist? Am Ende wären wir beide zum selben Resultat gekommen, Sie und ich. Alle wären ertrunken. Aber ich hätte garantiert mehr Spaß gehabt als Sie.«
    Er rauchte ein paar nachdenkliche Züge.
    »So ist es nämlich. Wir sitzen alle auf der Titanic und feiern eine riesengroße Party und bilden uns ein, sie würde nie aufhören, und merken nicht mal, dass uns schon die Gläser vom Tisch rutschen.« Er leerte seinen Cocktail mit großen Schlucken und drückte entschlossen die eben erst angezündete Zigarette aus. »Und jetzt gehen wir rein. Mir ist nämlich saukalt.«

25
    Das Frühstück verlieh dem Wort Morgengrauen eine neue Bedeutung. Gegen den wütenden Widerspruch meines Magens zwang ich mich, an meinem Toast mit Camembert zu knabbern und kleine Schlucke Pfefferminztee zu trinken. Es war spät geworden am Vorabend. Zu spät. Und – soweit ich mich noch erinnern

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