Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
Jahren ist ihm das wohl zu langweilig geworden, oder es hat Stress gegeben. Jedenfalls hat er Knall auf Fall gekündigt und in Mannheim ein BWL-Studium begonnen. Nach sechs Semestern auch damit wieder aufgehört und zur Polizei zurück. Dieses Mal hat er länger durchgehalten. Über die Jahre ist er an verschiedenen Dienststellen gewesen, am Ende am Polizeipräsidium Nürnberg als Oberkommissar. Und vor acht Jahren ist er dann plötzlich wieder ausgeschieden. In seiner Personalakte steht, auf eigenen Wunsch.«
»Und weiß man, was er angestellt hat?«
»Die Nürnberger Kollegin, mit der ich vorhin telefoniert habe, ließ durchblicken, seine Methoden seien manchmal ein wenig zu kreativ gewesen. Und außerdem ist der gute Herr Pretorius wohl nicht gerade ein Teamplayer.«
»Nichts dabei, womit wir ihn öffentlich blamieren könnten?«
Balke hob die Schultern und klappte sein Gerät zu.
»Was hat der Typ vor?«, grübelte er. »Was soll das werden?«
»Ich nehme an, er macht mit seinem Zeugen fifty-fifty.«
»Oder die Eltern bezahlen ihn dafür, dass er sie entlastet?«
»Jedenfalls bin ich mir inzwischen ziemlich sicher, dass der Mann zwar möglicherweise hier angerufen hat, aber aus irgendeinem Grund dann doch nichts ausgesagt hat. In diesem Punkt wurde Pretorius vorhin auf einmal wachsweich.« Ich schlug mit beiden Händen auf den Tisch. »Und am meisten ärgert mich an der ganzen Geschichte, dass dieser Schnüffler mir ungestraft auf der Nase herumtanzen kann, nur weil wir eine dumme kleine Telefonnotiz nicht finden können.«
Bevor Balke ging, bat ich ihn noch, den Telefonanschluss zu ermitteln, mit dem ich vor einer halben Stunde in Pretorius’ Beisein telefoniert hatte. Vielleicht kamen wir ja auf diesem Weg überraschend einfach an seinen angeblichen Zeugen heran.
Balke machte sich eine Notiz und schob seinen Stuhl zurück. »Ich soll Ihnen übrigens von Klara ausrichten, dass es auf Korfu wirklich einen kleinen Jungen gibt. Sie wüssten schon, was das bedeutet.«
10
»Wir können natürlich nur in ein Hotel, wo man dich nicht kennt«, meinte meine Göttin munter, als sie um halb acht im Gewühl des Heidelberger Bahnhofsvorplatzes in meinen sechzehn Jahre alten und inzwischen leider ein wenig klapprigen Peugeot Kombi stieg.
Schon ihr erster Kuss versprach einen aufregenden Abend. Theresa hatte dieses Flimmern im Blick, das unanständige Gedanken und verwegene Ideen verriet.
»Leider hat man dein Foto in letzter Zeit ein bisschen zu oft in der Zeitung gesehen.« Sie schnallte sich an. »Aber ich habe schon eine Idee.«
Ich ließ den Motor an und fädelte mich in den Verkehr ein.
»Was schlägst du vor?«
Sie lächelte geheimnisvoll. »Bieg da vorne links ab, und dann fährst du in Richtung Leimen.«
»Du denkst doch hoffentlich nicht an irgendeine Waldlichtung?«
»Viel besser. Ich kenne in der Nähe von Wiesloch einen sehr romantischen und sehr einsam gelegenen kleinen See.«
»Theresa, in ein paar Tagen haben wir November. Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte: Es wird abends schon ziemlich kühl.«
»Wozu hast du dieses riesige Auto? Hier drin kann man ja praktisch wohnen, wenn man ein wenig gelenkig ist.« Fachmännisch sah sie sich um. »Und sogar Liegesitze hat es.«
Ich lachte. »Das letzte Mal, als ich es im Auto mit einer Frau getrieben habe, war mein Führerschein acht Wochen alt und ich fünfzehn Kilo leichter.«
Nach einigen roten Ampeln waren wir endlich auf der Rohrbacher Straße, und es ging schneller voran. Theresa rutschte zu mir herüber, schmiegte sich an mich und begann, an mir herumzufummeln, dass mir Hören und Sehen verging.
»Wir sind immer so alt, wie wir uns fühlen«, schnurrte sie.
»Und so kindisch, wie wir uns benehmen.«
»Spaßbremse.« Sie biss mich zärtlich ins Ohr. »Es ist wirklich sehr hübsch da. Es wird sogar dir gefallen.«
Ihre Linke überschritt die Grenze zu verbotenem Gebiet. Zum Glück waren jetzt alle Ampeln grün.
»Wenn uns jemand sieht, dann wird er uns für verrückt halten«, sagte ich, während ich ihre unanständigen Berührungen genoss.
»Sind wir es denn nicht?«
Inzwischen hatten wir die südlichen Außenbezirke Heidelbergs hinter uns gelassen, Leimen und seine Zementfabrik kamen in Sicht, ich musste nicht mehr ständig schalten und hatte deshalb meine Rechte frei. Theresa trug heute ausnahmsweise einen Rock, was ich sehr praktisch fand.
»Woher kennst du deinen romantischen See eigentlich?«
»Ich war auch früher
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