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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Bild Gundram Sanders danebenlegte, wusste ich, was es war: der Blick. Beide Jungen strahlten dieselbe Verzagtheit, dieselbe Scheu aus. Sollte es dieser unsichere Blick sein, der ihnen zum Verhängnis geworden war?
    Falls wir auf anderem Wege nicht weiterkamen, würden wir auch mit dem neuen Entführungsfall an die Öffentlichkeit gehen müssen. Dann würde der nächste Sturm der selbst ernannten Sachverständigen, angeblichen Zeugen und faktischen Selbstbezichtiger über uns hereinbrechen. Hoffentlich ging nicht ein zweites Mal der einzige ernst zu nehmende Hinweis im allgemeinen Durcheinander verloren.
    Aber noch war Ruhe. Noch blieb mein Telefon stumm. Vor den Fenstern nahmen Wind und Regen von Stunde zu Stunde zu. Die Bäume verloren ihre letzten Blätter, die Sonne schien für dieses Jahr ihren Dienst quittiert zu haben.
    Das Mittagessen ließ ich zur Hälfte stehen, und schon eine halbe Stunde später hätte ich nicht sagen können, was es gegeben hatte.
    Um den tristen Tag zu krönen, rief später eine blendend gelaunte Journalistin vom SWR-Studio Mannheim an. Aufgrund diverser Vorkommnisse in letzter Zeit plane man für den morgigen Samstagnachmittag ein längeres Feature zum Thema »Die Verbrechen am Rande«.
    »Es geht uns dabei um die alltägliche Kleinkriminalität«, erklärte mir die – nach ihrer Stimme zu schließen – junge Frau. »Schwarzfahren, Ladendiebstähle, Sachbeschädigungen, all die Dinge, die es normalerweise nie in die Medien schaffen. Aufhänger wird ein besonderer Fall von Vandalismus sein, der sich kürzlich in der Kurpfalz ereignet hat. Im Grunde eine Bagatelle, aber doch ein sehr typisches Beispiel für diese Vorstufe der echten Kriminalität. Und oft genug vermutlich auch einschlägiger Karrieren.«
    Mir schwante Fürchterliches. »Und wie kommen Sie ausgerechnet auf mich?«
    »Der Geschädigte sagte mir, Sie würden sich des Falls höchstpersönlich annehmen. Das finde ich ziemlich ungewöhnlich, und deshalb wollte ich fragen, ob Sie so nett wären, mir ein kleines Statement zu geben. So sechzig bis neunzig Sekunden. Das Band läuft …«
    Prompt begann meine Linke wieder zu schmerzen.
    »Selbstverständlich bin ich dazu bereit.« Ich räusperte mich ausgiebig, um mich von meinem ersten Schrecken zu erholen. »Sehen Sie, Rudolph Giuliani in New York hat es Zero-Tolerance-Politik genannt. Andere sprechen von der Broken-Windows-Theorie. Wehret den Anfängen, mit anderen Worten. Meist handelt es sich bei diesen sogenannten Bagatellfällen um jugendliche Täter, die sich am Beginn der schiefen Bahn nach unten befinden. Aber gerade diese Klientel lässt sich mit ein wenig Härte und Entschlossenheit noch beeindrucken. Wer bei einem Ladendiebstahl oder einer kleinen Sachbeschädigung ungeschoren davonkommt, der wird es unter Umständen bald wieder versuchen. Die wenigsten fangen ja gleich mit einem Bankraub an. Und deshalb ist es in meinen Augen nicht nur notwendig, sondern sogar unverzichtbar, dass die Polizei sich – soweit es unsere Ressourcen erlauben, natürlich – auch dieser Dinge annimmt.«
    »Donnerwetter.« Die Journalistin klang beeindruckt. »Haben Sie solche Ansprachen eigentlich immer fertig in der Schublade?«
    »Das Thema brennt mir auf der Seele«, erwiderte ich würdevoll.
    Genauer, in der linken Hand. Ich fühlte mich elend.
     
    Am Samstagmorgen holte ich die Zeitung schon um halb sieben aus dem Briefkasten. Ich hatte ohnehin unruhig geschlafen und war viel zu früh aufgewacht.
    Die Wohnungsanzeigen befanden sich im letzten Teil der Zeitung, wusste ich nun schon. Punkt acht wählte ich die erste Nummer auf der langen Liste, die ich inzwischen angefertigt hatte. Nachdem ich mir wieder dreimal den Satz: »Leider schon vergeben« angehört hatte, landete ich den ersten Erfolg. Zehn Minuten später saß ich auf dem Rad und strampelte hoffnungsfroh gegen einen gemeinen Wind und hinterhältigen Nieselregen in Richtung Altstadt.
    Das erste Objekt lag in der Brunnengasse. Altbau, erstes Obergeschoss, keinerlei Aussicht, dafür bezahlbar. Ein bisschen Renovieren würde wohl nötig sein, hatte die sympathische Vermieterin am Telefon gemeint, aber der Aufwand sei überschaubar.
    Das würdevolle Haus aus der Gründerzeit wirkte von außen gepflegt, das Treppenhaus war fast beunruhigend sauber. Hier herrschte offenbar ein strenges Regiment. Die Wohnung selbst war hübsch, das Bad winzig und blitzblank. Der einzige Haken bei der Sache war die ältliche und überaus freundliche

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