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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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daran.« Ich zwang mich zu essen. »Sogar an die Angst. Sie ist immer da, aber man nimmt sie einfach nicht mehr wahr.«
    An Sönnchens Ringfinger steckte ein alter Ring mit einem schön geschliffenen Saphir.
    »Statistisch ist die Wahrscheinlichkeit winzig klein, dass ausgerechnet einem meiner Mädchen so etwas zustößt. Das Risiko, von einer Straßenbahn überfahren zu werden, ist vermutlich hundertmal größer.«
    Eine Weile aßen wir schweigend. Draußen rauschte der Regen. Ich musste mich zu jedem Bissen zwingen. Drei verschwundene Kinder und eine versuchte Kindesentführung. Ein Täter, der frei herumlief und vielleicht einen dunklen Geländewagen fuhr und jeden Tag wieder zuschlagen konnte.
    »Fahren Sie ein bisschen weg, Herr Kriminalrat«, sagte meine Sekretärin plötzlich leise und eindringlich. »Sehen Sie zu, dass Sie auf andere Gedanken kommen.«
    »Sie kennen meinen Terminkalender vermutlich besser als ich.«
    »Wenn Sie es wirklich wollen, dann geht es auch. Nehmen Sie Ihre …« Sie hüstelte und senkte den Blick. »Nehmen Sie jemanden mit, den Sie gern haben, und gönnen Sie sich mal was. Sie haben noch vier Wochen Urlaub, der nächstes Jahr verfällt. Davon geht doch die Welt nicht unter, dass Sie mal einen Tag oder zwei nicht da sind.«
    Inzwischen goss es draußen in Strömen. Wir hatten keinen Schirm dabei.

16
    Als wir in Weißenburg ankamen, war es längst dunkel geworden. Wir hatten uns Zeit gelassen, bereits kurz nach der Karlsruher Rheinbrücke die Autobahn verlassen und waren zu Theresas Entzücken durch eine Menge pittoresker Dörfer gekommen.
    »Ein Traum!«, hauchte sie, als wir im Schritttempo durch das uralte elsässische Städtchen mit seinen schiefen Fachwerkhäusern und krummen Gassen gondelten. »Ich hatte vergessen, wie schön es hier ist.«
    Zu meiner Verblüffung hatte – dank Sönnchens Entschlossenheit – am Nachmittag alles wie am Schnürchen geklappt. Es war ihr gelungen, mir den Spätnachmittag und den ganzen nächsten Vormittag frei zu räumen, Theresa war begeistert gewesen, und die Zwillinge hatten auf meinen Anruf beunruhigend entspannt reagiert. So hatte ich um kurz nach vier meine Bürotür hinter mir geschlossen, war nach Hause gefahren, um eine Kleinigkeit zu packen, hatte meinen Mädchen etwas von einer dringenden Dienstreise mit Übernachtung erzählt und um halb fünf eine aufgekratzte Theresa vor dem Bahnhof aufgegabelt.
    Ein Hotelzimmer in Weißenburg zu finden, war nicht so einfach, wie wir dachten. In der überschaubaren Innenstadt war auch jetzt, Anfang November, alles belegt, und so landeten wir schließlich im Moulin de la Walk, einem Haus, das ein wenig außerhalb lag, an der gemütlich vor den Fenstern gurgelnden Lauter. Als wir, begleitet von einer unentwegt im Elsässer Dialekt plappernden dürren Frau mit windschiefer Föhnfrisur, das Gepäck aus dem Wagen holten, inspizierte ich unauffällig die Kennzeichen der überwiegend deutschen Autos. Keines davon kam aus Heidelberg oder Mannheim.
    Das Zimmer war nicht übermäßig groß, aber urgemütlich. Es gab schräge Wände, eine Blümchentapete, vor der man sich unter anderen Umständen gegruselt hätte, zwei kleine Sprossenfenster, einen plüschigen Teppichboden. Das französische Bett lud ein, sich sofort hineinzukuscheln und die Minibar zu plündern. Theresa verkündete jedoch nach zwei ausführlichen Küssen, sie habe einen Bärinnenhunger. Sie wollte sich zum Essen nicht einmal umziehen.
    So saßen wir zehn Minuten später im Restaurant und wurden umsorgt, als kämen wir von einer langen, gefährlichen Reise zurück. Noch bevor wir begannen, uns über das Menü Gedanken zu machen, standen schon der Gruß aus der Küche und zwei schlanke Gläser Crémant auf dem Tisch. Auf den winzigen Tellerchen lag irgendetwas mit Entenleber, das mir nicht schmeckte. Also verdrückte Theresa mein Portiönchen gleich mit. Kurz darauf kam der Edelzwicker in einer hohen, dunkelgrünen Flasche.
    »Prösterchen«, sagte meine Göttin gut gelaunt. »Du siehst aus, als könntest du ein Glas Wein vertragen.«
    »Alkohol ist keine Lösung«, erwiderte ich und nahm einen großen Schluck. Tatsächlich fühlte ich mich aber schon bald ein wenig besser. Wärme machte sich in mir breit, und erst jetzt wurde mir bewusst, wie kalt mir in den letzten Stunden gewesen war. Vielleicht brütete ich wirklich eine Erkältung aus.
    Theresa stellte mit Andacht ihr Menü zusammen. Ich konnte mich nicht entscheiden und wählte

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