Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
er Zeit hat, können wir gleich rüberrutschen. Hätte Ihre Bekannte denn Zeit?«
»Ich bin ermächtigt … ähm … in ihrem Namen«, behauptete ich todesmutig. »Sie möchte nicht so gerne …«
»Ich verstehe, ich verstehe.« Marie von Heerfeldt konnte sich das Lachen kaum noch verkneifen, und ich fühlte mich wie der größte Idiot unter der Sonne.
»Aber nur unter einer Bedingung.« Sie sprang auf und begann eine Nummer in mein Handy zu tippen. »Ich krieg das Buch mit persönlicher Widmung, bevor es in den Buchhandlungen liegt, okay?«
»Abgemacht«, erwiderte ich gottergeben. Ich würde zweifellos in die Hölle kommen. Aber wer weiß, vielleicht war es das Ergebnis ja wert.
Berti war erreichbar und erfreut, und schon zehn Minuten später waren wir unterwegs. Frau von Heerfeldt fuhr ihr Mercedes-Cabrio fast so kriminell wie Klara Vangelis und stellte es nach nicht einmal einem Kilometer in der hoffnungslos zugeparkten Ladenburger Straße im Halteverbot ab. Im Erdgeschoss des nicht sehr eindrucksvollen vierstöckigen Mietshauses befand sich ein kroatisches Restaurant. Die Fassade bestand im unteren Teil aus rotem Sandstein. Darüber war sie aus gelblichen Backsteinen gemauert. Es war offensichtlich, dass das Gebäude lange nicht renoviert worden war. Aber mir blieb keine Zeit, enttäuscht zu sein.
Der Vermieter und Freund der Maklerin erwartete uns schon voller Tatendrang vor der Haustür. Er selbst wohnte nicht weit von hier am Heiligenberg, erklärte er mir munter. Dort, wo der Inhalt mancher Doppelgarage mehr kostete als anderswo eine Eigentumswohnung.
»Bisschen laut ist es natürlich manchmal«, meinte Berti in breitem Kurpfälzisch und drückte kräftig meine Hand. »Aber als Künstler sind Sie in dem Punkt hoffentlich nicht anspruchsvoll.«
Marie von Heerfeldt küsste ihn schmatzend auf beide Wangen und klärte ihn darüber auf, dass ich die Wohnung im Namen und Auftrag einer geheimnisvollen Schriftstellerin suchte, die vorläufig ihr Pseudonym nicht lüften wolle. Ich beobachtete sie genau: Sie zwinkerte kein einziges Mal.
Die Wohnung war geräumig und überraschend hell. Der Vormieter schien weder geraucht noch größere Katastrophen verursacht zu haben. Einige Dübellöcher würde man zuspachteln oder hinter Bildern verstecken müssen, sonst gab es nichts zu tun. Es roch, als hätte zuvor eine Frau hier gelebt. Das kleine, aber zweckmäßige Bad wirkte wie frisch desinfiziert.
»Könnt es sein, dass ich Sie in letzter Zeit mal im Fernsehen gesehen hab?«, wollte Berti wissen. »Sind Sie Politiker oder so was?«
»Nein. Ich bin nur ein kleiner Beamter.«
»Pustekuchen!«, fuhr Marie von Heerfeldt mir empört über den Mund. »Herr Gerlach ist Chef der hiesigen Kripo, und man sieht ihn zurzeit dauernd in der Zeitung und im Fernsehen!«
Bertis Sympathie wurde immer größer. Eine geheimnisvolle Schriftstellerin in unklarer Beziehung zu einem Toppolizisten, das versprach eine Menge Gesprächsstoff für langweilige Partys. Vom Fenster des Raums, den ich automatisch zum Schlafzimmer erklärt hatte, konnte man nichts sehen als das Haus gegenüber, das genauso aussah wie das, in welchem wir uns befanden. Der kleine Balkon ging zur Straße, ein etwas größerer nach hinten, wo es verführerisch nach kroatischem Grillteller roch. Mir wurde bewusst, dass ich hungrig war. Inzwischen war es kurz vor zwei, und ich hatte reichlich Bewegung gehabt am Vormittag.
Die anderen sahen mich erwartungsvoll an.
»Okay«, sagte ich. »Wie hoch war noch mal die Miete?«
Der Preis war für Heidelberger Verhältnisse ein Witz. Wir besiegelten das Geschäft mit einem festen Händedruck. Berti, von dem ich noch immer nur den Vornamen wusste, versprach, mir den Vertrag in den nächsten Tagen zuzuschicken, und drückte mir zwei Schlüsselbunde in die Hand.
»Sie … will sagen … Ihre Bekannte kann jederzeit einziehen. Die Wohnung steht ja leer, wie Sie sehen.«
Anschließend sausten wir im offenen Cabrio über die Theodor-Heuss-Brücke zurück in Richtung Innenstadt. Vor dem Haus, in dem Marie von Heerfeldt wohnte und mein in der Eile nicht abgeschlossenes Rad zum Glück immer noch stand, hielt sie an.
»Was ist eigentlich mit der Maklercourtage?«, fragte ich.
»Geschenkt«, erwiderte sie lachend. »Aber vergessen Sie nicht, das mit meinem Ex zu regeln.« Mit einem Mal wurde sie ernst. »Verstehen Sie, ich möchte nicht, dass er wirklich Ärger mit der Polizei bekommt. Er ist im Grunde ein armes Schwein und
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