Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
liebt mich nur ein bisschen zu sehr. Sonst ist er eigentlich ganz okay. Es reicht also völlig, wenn Sie ihm einen ordentlichen Nasenstüber verpassen, damit er mit diesem Irrsinn aufhört.«
»Sie haben ihn verlassen, und jetzt ist er sauer auf Sie?«
»Er ist so furchtbar nett und lieb und hilfsbereit und so unvorstellbar langweilig«, seufzte sie mit Blick zum fast wolkenlosen Himmel. »Und gegen Ende war die Liebe leider ein bisschen einseitig.«
Ich stieg aus und drückte die Tür ins Schloss. Sie winkte noch einmal, fuhr an, bremste, setzte zurück.
»Und falls es mit Ihrer Bekannten mal nicht so läuft«, rief sie, jetzt wieder übers ganze Gesicht grinsend. »Sie haben ja meine Nummern!«
Ein wenig schwindlig blieb ich zurück. Das Gewicht der Schlüssel in meiner linken Hosentasche bewies, dass alles kein Traum gewesen war. Theresa und ich hatten eine Wohnung! Die Sonne schien! Und ich hatte mächtigen Hunger. Ich schwang mich aufs Rad und schlängelte mich durch den dichten Samstagnachmittagsverkehr über die Brücke nach Neuenheim zurück, um dort einen hoffentlich üppigen kroatischen Grillteller zu vertilgen.
20
Ich war sehr überrascht, meine Zwillinge zu Hause anzutreffen. Am Morgen hatte ich ihnen einen Zettel auf den Tisch gelegt mit dem Hinweis, dass ich arbeiten müsse und eine vegetarische Lasagne zum Aufwärmen im Kühlschrank stehe. Sie hatten etwas auf dem Herzen, sagten mir ihre Blicke sofort. Etwas Großes.
Gut gelaunt setzte ich mich zu ihnen an den Küchentisch. Die leeren Teller standen offensichtlich schon länger dort herum.
»Paps«, begann Louise unsicher. »Wir müssen mit dir reden.«
»Dann legt los!«
»Du riechst nach Knoblauch«, konnte Sarah sich nicht verkneifen.
»Es geht um Sam.«
Sam. Aber nun gut, heute war mein Glückstag. Mein Lächeln wurde vielleicht ein wenig künstlich.
»Wir haben uns gestern Abend mit ihm getroffen.«
Jetzt lächelte ich nicht mehr. »Er ist in der Stadt? Ich hatte doch …«
»Du hast gesagt, er darf nicht bei uns wohnen. Du hast nicht gesagt, er darf nicht nach Heidelberg kommen.«
»Er wohnt im Hotel.«
»Im Marriott.«
Dieser Sam war entweder ein Hochstapler oder Sohn reicher Eltern. Beides machte ihn mir nicht sympathischer.
»Er ist total nett!«, erklärte Louise tapfer.
»Und er wollte auch nichts von uns«, fügte Sarah eilig hinzu. »Er hat uns nicht angebaggert oder so was. Das ist es doch, was du denkst.«
Immerhin etwas.
»Okay, ihr habt euch mit ihm getroffen. Euer gutes Recht, stimmt. Aber ihr hättet es mir wenigstens vorher sagen können.«
»Du hättest doch bloß wieder rumgemeckert«, meinte Sarah – vielleicht nicht einmal zu Unrecht.
»Nur, um mir das zu gestehen, sitzt ihr aber nicht hier.«
Die beiden wechselten einen langen Blick. Ich setzte mich aufrecht hin. Wir kamen zum spannenden Teil.
»Sam macht nämlich CDs«, begann Sarah endlich kleinlaut.
»Er ist Musiker, ich weiß. Das habt ihr mir schon erzählt.«
»Ja. Aber nicht nur. Er produziert auch CDs.«
»Er hat sogar ein eigenes Label.«
»Du weißt, was das heißt?«, fragte Louise, als ich nicht gleich reagierte.
»Mädels, ich habe schon Platten gehört und Labels gekannt, da hatte noch niemand im Universum eine Ahnung davon, dass es euch mal geben würde.«
»Und Sam findet …« Louise verschluckte den Rest und schlug die Augen nieder.
Das wurde ja immer spannender.
»Wir haben schöne Stimmen, findet er«, brachte Sarah die Sache zu Ende.
Endlich dämmerte mir, was das werden sollte. Aber noch wollte ich es nicht glauben.
»Das hat er schon am Telefon gesagt«, ergänzte Louise, als würde das irgendetwas besser machen.
»Am Telefon?«
»Du hast uns nicht verboten, mit ihm zu telefonieren!«
»Und ihr habt schöne Stimmen …«
»Er stellt nämlich gerade eine neue Teenie-Group zusammen«, erklärte Sarah.
»Und dafür sucht er noch eine Sängerin«, fuhr Louise fort.
»Ihr seid zwei Sängerinnen.«
»Da wäre ja gerade der Clou! Sam schwebt so ein Projekt vor in der Art wie Tokio Hotel.«
»So ganz ohne Drogen und alles. Total clean eben. So was läuft hammermäßig zurzeit, sagt Sam.«
»Aber eure Schulnoten …?«
»Sam sagt, wenn wir in der Schule nachlassen, dann kündigt er sofort den Vertrag«, versuchte Louise mich zu beruhigen.
»Er sagt, eine ordentliche Ausbildung ist das Wichtigste«, meinte Sarah.
»Und wir lernen ja auch schon dauernd wie blöd. Das musst du zugeben.«
Dieser Sam schien
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