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Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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sagte ich zu Balke, als der andere nach einem laschen Händedruck die Tür hinter sich geschlossen hatte. Mit irritiertem Blick nahm Balke Platz.
    »Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen?«
    »Versuchen Sie es.«
    »Nehmen Sie manchmal … solche Pillen? Ecstasy? Sie müssen natürlich nicht antworten.«
    Er senkte den Blick und betrachtete seine kräftigen Hände mit den sauber gefeilten Fingernägeln. »Geht’s um Ihre Töchter?«
    »Ja.«
    »Ich will es mal so sagen«, erwiderte er sehr zögernd und ohne aufzusehen. »Im Alter zwischen fünfzehn und vierzig finden Sie nicht allzu viele Menschen in Deutschland, die diese Pillchen nicht irgendwann mal probiert haben. Nehmen sie es denn regelmäßig?«
    »Ich hoffe, nicht.«
    Balke sah mir wieder ins Gesicht. »Chef, heute müssen die Kids sich auf dem Schulhof nicht dafür rechtfertigen, dass sie irgendwelche Sachen nehmen, sondern dafür, dass sie es nicht tun. Ihre Töchter liegen voll im Trend.«
    »Schöner Trost. Wenigstens soll einen das Zeug nicht gleich süchtig machen. Aber es ist so viel getürkte oder gestreckte Ware auf dem Markt. Und ständig gibt es neue Abarten. Sachen, die teilweise schon beim ersten Mal körperlich abhängig machen.«
    »Die Kids sind heute viel besser informiert als wir früher«, sagte Balke ruhig. »Die sind vernetzt, stehen rund um die Uhr in Kontakt. Wenn irgendwo schlechte Ware auftaucht, dann findet der Dealer schon am nächsten Tag keinen Kunden mehr.«
    Als Sönnchen irgendwann im Verlauf dieses regnerischen und zunehmend stürmischen Montagvormittags mein Büro betrat, lief ich mit den Händen auf dem Rücken im Kreis herum wie ein depressiver Tiger.
    »Sorgen?«, fragte sie erschrocken.
    Ich zuckte die Schultern.
    »Wegen diesem Mädchen?«
    »Auch.«
    Leise legte sie die Unterschriftenmappe auf den Schreibtisch und nahm auf einem der Besucherstühle Platz. Auch heute hatte sie wieder ein ausgesucht hübsches Kleid an, dessen fröhliche Farben ganz und gar nicht zu meiner miserablen Laune passten. Ich lief weiterhin im Kreis, weil ich nicht mehr sitzen konnte. Erst vor einer halben Stunde hatte ich mit der Staatsanwaltschaft telefoniert und mir eine Abfuhr mit Sternchen geholt.
    »Wenn wir jeden Jugendlichen zur europaweiten Fahndung ausschreiben wollten, der mal ein paar Pillchen verkauft hat«, hatte mir die leitende Oberstaatsanwältin, Frau Dr. Steinbeißer, fast mitleidig erklärt. »Du liebe Güte, wie stellen Sie sich das denn vor?«
    »Ich würde zu gern wenigstens eine offizielle Vermisstenmeldung losschicken«, sagte ich zu meiner Sekretärin, der das späte Liebesglück aus den Augen leuchtete. »Aber nicht mal das kann ich.«
    »Und wenn Sie’s einfach trotzdem machen?«
    Ich blieb vor ihr stehen und sah sie finster an. »Mit welcher Begründung? Wenn die Staatsanwaltschaft davon Wind bekommt, dann müssen Sie sich demnächst an einen neuen Chef gewöhnen.«
    »Und wenn es ein Missverständnis gibt? Zwischen Ihnen und mir? So was kommt immer wieder mal vor. Ich versteh irgendwas falsch und leite die Vermisstenmeldung ein, weil ich – dumm, wie ich manchmal bin – irgendwas falsch verstanden hab?«
    »Das könnte ich natürlich auf gar keinen Fall gutheißen.« Ich seufzte und begann wieder, meine Kreise zu drehen. »Andererseits – nur, wo nicht gearbeitet wird …«
    »… passieren keine Fehler.«
    So stand Lea Lassalle zwei Stunden später europaweit auf der Liste der vermissten Personen mit dem jeden Polizisten in erhöhte Aufmerksamkeit versetzenden Zusatz: »Gewaltverbrechen nicht auszuschließen«.

17
    Am späten Vormittag lag ein schon leicht verfärbter alter Laptop auf meinem Schreibtisch, in den Balke Leas zwischenzeitlich trocken geföhnte Festplatte montiert hatte. Hoffnungsvoll klappte ich das Gerät auf und drückte den Einschaltknopf. Über meine rechte Schulter sah Sven Balke zu, über die linke Klara Vangelis. Alle drei hielten wir den Atem an. Der Laptop begann leise zu surren.
    »Die Platte dreht sich schon mal«, murmelte Balke.
    Kurz darauf begann sie zu rasseln. Dann erschien eine Fehlermeldung. Vangelis stöhnte auf.
    »Sie ist hin!« Balke schlug sich wütend auf den Oberschenkel und drehte sich weg. »Vorhin, wie ich es probiert habe, hat er noch gebootet.«
    Wir machten mehrere Versuche, Balke baute die Platte noch einmal aus und wieder ein, aber das Ergebnis war immer dasselbe.
    »Vor einer Viertelstunde hat sie wirklich noch funktioniert«, erklärte Balke immer

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