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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Pharao, den Krummstab und den Dreschflegel, war Gott und König, Verkörperung und Sohn des Amun-re und des Osiris; er war der Goldene Horos, Mächtiger Fürst, geliebt von Amun, Beherrscher des Oberen und Unteren Ägypten; er war dies durch die Macht seiner Waffen, durch den Ratschluß der Priester und Fürsten Ägyptens. Und nun wußte er, wußten alle, daß er es auch durch göttlichen Willen war:
    »Rechtmäßiger Pharao, Gefäß und Sohn des Ammon, der Zeus ist, und somit selbst ein Olympier.«
    »Was bedeutet das genau, für euch Hellenen?« sagte Sisygambis. »Ist er unsterblich? Allmächtig? Unfehlbar?
    »Er wird eines Tages sterben wie jeder von uns, aber nach seinem Tod zu den Göttern gehen und ewig leben, während wir vergehen wie die Blumen, wenn sie verblühen, und allenfalls im Gedenken der Nachkommen noch ein wenig überleben.«
    »Ist denn eure Unterwelt nicht ewig?«
    Drakon kaute auf der Unterlippe. »Ich weiß es nicht. Es gibt viele gegensätzliche Aussagen. Nur Helden und Halbgötter leben im Schattenreich, sagen die einen; und alle Toten, die dies nicht sind, verschmelzen mit den Schatten, wobei sie in diesen aufgehen, oder untergehen, und nicht mehr selbst sind. Aber es gibt da viele Meinungen. Bis hin zu jener, die sagt, all dies sei von Menschen erfunden, um die Angst vor dem endgültigen Tod zu überwinden.«
    Nach längerem Schweigen sagte Barsine: »Wie war das, als der Priester die Begrüßung sprach? Wart ihr dabei? Habt ihr es gehört? Wie hat es auf Alexander gewirkt?«
    »Es war«, sagte Drakon tonlos, »als wäre im heißen Spätnachmittag mit einem unvorstellbar gewaltigen Katapult ein riesiger Eisblock auf uns geschleudert worden und zwischen uns eingeschlagen. Wir waren starr. Fassungslos. Alexander taumelte, als ob ... als ob Atlas sich in nichts auflöst und die Last des Himmelsgewölbes auf Alexanders Kopf stürzt, dröhnend und unerträglich. Er hat mit den Armen gerudert, sich an einer Säule festgehalten.«
    Dann führte der Oberste Priester ihn in den Tempel; die anderen blieben verwirrt zurück. Einige wanderten umher, versuchten, verwickelte Gedankenstränge aufzuriffeln oder das zerknitterte Gewebe ihres Gemüts zu glätten; andere betranken sich in den Schänken; wieder andere saßen mit Kameraden um ein Feuer, oder sie lagen unter dem gefräßigen Himmel und suchten zwischen den Sternen die Trümmer ihrer Seelen. Sie aßen Datteln, Brot und Fleisch, tranken Palmwein, hielten ihre Gesichter in den sanften, kühlenden Nachtwind, hörten das Zischeln und Keckern fremder Vögel in den Bäumen, das wispernde Wasser der Brunnen, rochen die Tiere und Pflanzen und Menschen des Oasenreichs. Als der Lärm der Schänken starb, die Feuer niederbrannten und das Wegelicht auf dem höchsten Turm der Königsburg als einziges noch mit den Sternen sprach, wurde die Wüstennacht kalt, und der kalte Hauch schien vom Tempel zu kommen, wie eine ferne Ahnung von heiserem Flüstern; und hin und wieder ein Ton, als berühre jemand den Rand eines großen Bronzegongs mit einem frisch aus der Brust geschnittenen, zuckenden Herzen.
    Sie alle wußten, daß sie gestorben waren – alle, auch jene, die nicht an Götter glaubten; daß die Nacht ewig währen mußte; daß ein schleimiges Ungeheuer, halb Schlange, halb Qualle aus der Burg kommen würde, mit dem blutroten Kopfputz des Oasenkönigs, um sie alle zu verschlingen; und daß nur Alexander sie ins Reich der Lebenden zurückführen konnte. Drakon suchte irgendwann den Seher, aber Aristandros war nicht zu finden.
    Im Morgengrauen verließ Alexander den Tempel. Er taumelte, schien sich an einen Luft- daimon zu klammern. Die Augen lagen tief in den Höhlen, als habe er nicht eine Nacht, sondern eine schlaflose Woche im Tempel verbracht. Ehe er zum Gott ging, hatte er sich wie alle gereinigt und frische Kleidung angelegt; nun waren seine Wangen von Stoppeln bedeckt, der Chiton war fleckig, hier und da zerrissen, und der König stank nach Schweiß, nach Kot, nach erbärmlicher Angst.
    Sie umringten ihn, drängten sich in einem großen Kreis um ihn her, riefen durcheinander, wollten ihn berühren, schrien Fragen.
    Alexander schüttelte sich, wie einer, der aus einem weglosen Traum erwacht. Er lächelte mühsam, blickte in die Gesichter und sagte:
    »Der Gott hat mir gesagt, was ich zu wissen begehrte.«
    Dann taumelte er wieder, streckte den Arm aus, hielt sich am Zweig eines Dornenstrauchs fest und murmelte: »Ich bin ein Gott.« Mit einer Grimasse

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