Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
die rätselhafte Besorgnis um die künftige Getreideversorgung von Hellas mit jener Loslösung vertrug, die drei Tage früher, vor der Nachschubplanung, an den Tag trat, als Harpalos in Syrien zu ihnen stieß, berichtete und ohne jede Reibung seine alte Stelle als Schatzhüter wieder einnahm.
Die Einzelheiten des Berichts hatte Ptolemaios nicht gehört, da er erst spät zur Beratung kam. Einzelheiten über schäbige Geschäfte des alten Demosthenes, deren Kenntnis Harpalos zu einer besonderen Art von Knebel genutzt hatte; Einzelheiten über die Zustände und Stimmungen in Athen und den anderen wichtigen Gegenden von Hellas. Einzelheiten, nicht zuletzt, über den großen Sieg des Antipatros, der bei Megalopolis das Heer des Agis vernichtet hatte. Der Spartaner war eines würdigen Todes gestorben, wie es einem lakedaimonischen König zukam. Schwer verwundet, kniend, bot er den makedonischen Lanzen die Brust, da er weder Flucht noch Gnade wollte. Die strategische Bedeutung des Siegs war allen klar – Hellas war beruhigt, das Meer und die Küsten waren in makedonischer Hand.
Und Alexander wandte sich dem Papyros zu, auf dem er und Deinochares die Neue Stadt entworfen hatten, Alexandreia, und sprach halblaut von »Mäusekriegen«. So lange war Sparta unbesiegbar gewesen, hellenische Vormacht, Großmacht immer noch; Agis hatte eines der größten Heere zusammengebracht, die je für Sparta ins Feld gezogen waren, und Antipatros hatte einen glänzenden Sieg errungen, würdig, in Jahrzehnten noch besungen zu werden. Alexander sprach von »Mäusekriegen«, und Parmenion stand auf und verließ schweigend die Runde.
Parmenion gab dem Lagiden ein weiteres Rätsel auf. Er hatte mit Philipp das Heer geschmiedet, die furchtbare Waffe, die nun in Alexanders Hand lag – und in Parmenions. Der alte Stratege näherte sich der Vollendung seines siebten Jahrzehnts; besser als jeder andere – Antipatros vielleicht ausgenommen – wußte er, daß die graue Vorzeit, da Makedonien ein von allen Seiten bedrohter, nach allen Seiten offener Trümmerhaufen gewesen war, nicht einmal dreißig Jahre zurücklag. Er war schon vierzig Jahre alt gewesen, als er und Antipatros dem jungen Philipp geholfen hatten, die Fetzen zu vernähen, die Halme zu Garben zu binden und den zerbrochenen Lanzen neue Schäfte zu geben. Was mußte er, mit seiner Erinnerung an eine Handvoll Krieger in den Bergen des Nordens, in der Ebene von Gaugamela empfunden haben? Was mochte er, Freund und Weggefährte Philipps, von dessen Sohn halten, der zum Herrn Asiens wurde und zum Gott Ägyptens? Aber Parmenion schwieg hierzu; kein Wort gegen den König, den er beriet und dem er folgte, mit dem er lachte und zechte, mit dem er die verwickelte, verwirrende, für niemanden mehr zu durchschauende Aufstellung vor der Schlacht entworfen hatte, vor dem er dann sprachlos stand, als Alexander die zwei kühnen, unglaublichen Änderungen vorschlug.
Dies, die Schlacht von Gaugamela, in Wahrheit das unglaublichste Erlebnis, höchster Rausch und tiefstes Entsetzen, hätte er dem Aristoteles beschreiben sollen. Aber wie es beschreiben? Als vielseitiges, vielschichtiges, verwirrendes Meisterwerk der Vorbereitung, durchschaut nur von Alexander und Parmenion, die auf dem Marsch durch Syrien schon mit den Männern der Phalanx, den 9000 Mann der sechs Taxeis geübt hatten, wie ein scheinbar geschlossener Truppenkörper, ein von Sarissen starrender Block, seitlich ausweichen und Gassen bilden kann, um sich Augenblicke später wieder zu schließen, ohne in Unordnung zu geraten? Mit langwieriger Beschaffung merkwürdiger Gegenstände wie jener Dreizack-Speere, deren Verwendungszweck keiner ahnte, bis zum Abend vor der Schlacht? Als Spiel mit feinsten Einzelteilen, die zu einer mächtigen Maschine zusammengesetzt wurden? Als Plan, der die unterschiedlichen Fähigkeiten und Bewaffnungen so vieler verschiedener Truppenteile bestens, wie aus göttlicher Höhe betrachtet, zu vereinigen wußte – ein Plan, zu dessen Ausführung in einzelnen Schritten immer nur wenige Augenblicke blieben, in denen Triumph und Untergang näher beieinanderlagen als die zwei Seiten einer Münze; zu dessen Ausführung ein eisiger Kopf im heißesten Getümmel nötig war, das unbedingte Vertrauen der Krieger zu ihren Führern, der Führer zu ihren Strategen, der Strategen und aller zu ihrem König und dessen grenzenloses Vertrauen in die Standfestigkeit seiner Männer, bis hin zur Zuverlässigkeit der Meldereiter und
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