Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
auch Enkidu?«
Hephaistion, halb betrunken, sagte etwas über einen Dornbusch, aus dem Flammen schlügen und den Alexander vor den Schlangen hüten solle.
Einer der Bärtigen hob die Hand. »Die Geschichte, Herr, ist alt; sie handelt von Göttern und Helden der Vorzeit. In den Einzelheiten« – auf die Ptolemaios kaum geachtet hatte – »sind unsere Götter und Sagen verschlüsselt. Es ist aber noch etwas darin: eine wahre Reisegeschichte. Man sagt, der Held sei nicht nach Westen aufgebrochen, sondern zuerst nach Norden, über die Berge nach Elam und Iran, dann in einem großen Halbkreis ans syrische Meer, von dort südwärts zu dem Meer, das Ägypten von Arabien trennt. Auf diesem Weg seien alle Dinge geschehen – der Zedernwald sei irgendwo in Armenien, König, und dort soll Chumbaba getötet worden sein. Südlich von Phönikien, im Land der Juden, liegt ein tödlicher See aus Salz, an dessen Südufer die Skorpionmenschen gewohnt haben, und die Edelsteinbäume, so sagt man, entsprechen den Felsen und dem Reichtum der alten Stadt Petra. Von dort ans Meer, zur Schänke der Siduri; von dort braucht man bei bestem Wind mit einem guten Schiff eineinhalb Monde, um Arabien zu umsegeln und die Inseln des Meers zwischen Iran und Arabien zu erreichen. Auf einer dieser Inseln soll Utnapishtims Schiff gestrandet sein, als die Fluten sanken; dort soll auch ein seltsamer Dornbusch wachsen. Und von dort gelangte Gilgamesh zurück zur Mündung der Ströme, wo sich die Schlange häutete, die vielleicht der böse Urwurm ist.«
Ein chaldäischer Priester, der mit Aristandros getuschelt hatte, wandte sich an Alexander.
»Kundige Männer haben die alten Geschichten zusammengetragen und neu geschrieben, König Asiens und Sohn des Marduk, der Ammon und Zeus ist. Kundige Männer haben die alten Geschichten mit Reiseberichten verbunden, und mit etwas anderem. Denn es ist Gilgameshs Wanderung auch die Bewegung der Sterne und Sternbilder, Jungfrau und Himmelsstier und Löwe und Skorpion, ihr Steigen und Fallen unter den Horizont.«
Alexander schwieg; mit zusammengekniffenen Augen starrte er den Chaldäer an. Aristandros streckte die Arme aus; mit starrem Gesicht, geschlossenen Augen und hohl dröhnender Stimmte sagte er:
»Ein Traum ... Leben und Tod, festgesetzt von den Göttern... Auch göttliche Helden sollten den Bannkreis nicht verlassen, die Grenzen achten, die die Götter gezogen haben. Zeus für Hellas, Ammon für Ägypten, Marduk für das Stromland. Wenn Gilgamesh tatsächlich über die Berge nach Persien gewandert ist, so begann damit sein Untergang, und der des Enkidu.« Er ließ die Arme sinken, öffnete die Augen und suchte Alexanders Blick. »Vielleicht wird auch dir solch ein Traum zuteil, Herr; dann sag ihn mir, daß ich ihn dir deute.«
Wieder versuchte Ptolemaios, in Alexanders Gesicht zu lesen, in der Hoffnung, nicht nur einen Blick in den Geist des Freundes zu tun, sondern auch eine Erklärung für all den mysteriösen Unfug zu erhalten. Aber Alexanders Gesicht war eine Maske aus Hochmut und Ablehnung, und Ptolemaios war zu betrunken, um auch nur zu ahnen, worauf diese Regungen sich beziehen mochten.
Einige Zeit später – er mußte wohl eingenickt sein – stellte der Lagide fest, daß die Priester verschwunden waren, ebenso die Männer der Nacht. Schnarchende oder leise redende Makedonen, ein paar Frauen, in der Mitte Alexander, an den Rücken des schlafenden Hephaistion gelehnt, eine Hand in der von Barsine. Der König trank unverdünnten Wein, ohne betrunken zu werden. Parmenion, mit geradem Blick und schwankender Zunge, hob seinen Becher.
»Jetzt trinkst du, wie dein Vater Philipp getrunken hat. Ich habe immer gemeint, du verschmähst den Wein – wegen der Dinge, die du gesehen hast, als du jung warst.«
Alexander trank ihm zu, mit einem kleinen Lächeln. »Das stimmt, Parmenion mein Vater. Aber ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, warum er so viel und so sehr getrunken hat.«
Parmenion stieß einen welterschütternden Rülpser aus. »Die ... ah, Olympias ist nicht hier, also sag es ruhig.«
Die Männer, die noch lachen konnten, lachten schallend. Alexander grinste flüchtig.
»Olympias verlangt von mir eine hohe Miete für die neun Monde, die ich in ihr gewohnt habe, aber sie ist meine Mutter, und ich ehre sie. Im übrigen hat das nichts damit zu tun.«
»Also was ist der Grund? Ist nicht Wein der einzige Grund, Wein zu trinken?«
»Wenn du Wein ausgießt für die Götter, Parmenion mein
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