Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Vater, mußt du nicht daran glauben, daß die Götter diesen Wein trinken. Die Gebärde, die Feier ist das, was zählt. Wenn du mit deinen Freunden Wein trinkst, mußt du nicht an den Wein glauben. Es sind meine Freunde, mit denen ich trinke; und es sind meine Freunde, die mich warmhalten.«
Früh am nächsten Morgen – es hatte aufgehört zu regnen, aber der Himmel war fett und grau, als ob er sich für die nächste Flut vorbereite – begab sich Ptolemaios mit schmerzendem Schädel in den Palast, wie nachts vom König befohlen. Alexander, Parmenion, Kleitos, Demaratos, Philotas und ein paar andere sichteten die in den vergangenen Tagen von Schreibern und Geographen, Schatzhegern und Philosophen zusammengetragenen Dinge – Berichte, Karten, Listen, Unterlagen.
Parmenion und Philotas beschäftigten sich mit einer Aufstellung der von persischen Truppen angelegten Vorratslager auf dem Weg nach Susa. Alexander und Hephaistion waren über Karten gebeugt, auf denen die Wege ins Innere Arabiens verzeichnet waren. Ptolemaios, Kleitos und Drakon saßen an einem Tisch in einer Ecke des großen, von Gestellen und Rollen und Tischen und Schreibzeug übervollen Raums. Sie hatten Abschriften gefunden – Abschriften von Berichten, in denen es um Kenntnisse, Verrat und Gold ging. Sie waren nicht verschlüsselt, nannten aber keine Namen; zu jedem dieser Berichte gab es Anmerkungen in einer anderen Handschrift. Die Männer versuchten, aus den undeutlichen Angaben die Lebensumstände, Berufe, Orte der Verfasser herauszufinden, auf diese Umstände zu schließen; und einige der Anmerkungen schienen von einem Mann mit höchsten Vollmachten zu stammen, vielleicht Bagoas selbst, dessen genauen Aufenthaltsort zu kennen Demaratos beide Beine wert gewesen wäre, wie er behauptete.
Irgendwann blickte Alexander auf. »Genug mit Arabien. Die Karten von Persien scheinen ungenau, aber immerhin ...« Er sah sich um. »Wo steckt Eumenes?«
Koinos, der mit einigen Schreibern Soldlisten durchging, hob die Hand. »Er ist gestern abend abgestürzt, Alexander. Der siebzehnte oder achtzehnte Becher Wein hat ihn vom Pfad der Geradlinigkeit abgebracht.«
»Holt ihn her; sofort.«
Koinos schnitt eine Grimasse und winkte einen Helfer herbei. Während sie auf den fetten Kardier warteten, ließ sich Alexander Wein und Wasser bringen. Demaratos stand auf und ging zu ihm.
»Eines – ehe ich es vergesse.«
»Was ist es, Freund?«
Der Korinther steckte den rechten kleinen Finger ins Ohr. »Man flüstert dir Dinge ein, Herr – und Freund. Diese Geschichten gestern, und Aristandros’ Gerede von Träumen. Ich habe gehört, daß die Chaldäer Träume schicken können, wenn sie wollen.«
Alexander nickte. »Ich weiß; ich werde auf meine Träume achten.«
Eumenes torkelte herein; er sah furchterregend aus. Die Kleidung, bestenfalls halb übergestreift, schien aus Schleppnetzen und Fallstricken zu bestehen, die Augen hatten den Sonnenuntergang eingefangen und bewahrt, der Kopf schien inwendig Risse zu haben.
Alexander betrachtete den Hellenen ohne sichtbare Regung. »Willkommen im Rat, Eumenes. Es ist mir gleichgültig, wie du deine Nächte verbringst, aber ich will, daß du morgens zur Stelle bist, wenn ich dich brauche.«
Eumenes nickte, ächzte, schwieg.
Alexanders Arm beschrieb einen Halbkreis, der den größten Teil des Raums einzuschließen schien. »Das ist dein Reich, Hüter der Wissensschätze. Du wirst alles betrachten, alles ordnen, alles abschreiben lassen, und dann wirst du mir sagen, was wo zu finden ist. Ich will alle Karten zehnfach abgemalt haben; das zweitwichtigste sind die Steuerlisten. Du weißt schon.«
Eumenes brachte immer noch kein Wort heraus; er nickte lediglich, sehr vorsichtig, und rülpste leise.
Die Luft war unerträglich feucht; es war schwül und klamm, immer wieder kam von irgendwo ein kalter Hauch und ließ die verschwitzten Körper schaudern. Über der Stadt und dem Land gluckte der Bleihimmel, Drakon sprach von einer gräulichen Beule der Fäulnis, die schwoll und dräute und nicht platzen wollte.
Der Nachmittag glich einem kranken Dämmerzwielicht. Alexander hatte mit Schreibern Pläne entworfen, in allen Einzelheiten: Ausbau bestehender Straßenverbindungen, Anlage neuer Siedlungen und Städte, Unterbringung von Handwerkern, Grabungsarbeiten als Vorbereitung für den Bau großer Schiffswerften am Euphrat, Umsiedlung halber Völkerschaften. Ptolemaios war einmal zu ihnen gegangen, hatte sich auf die Schulter
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