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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Schuppen feinstens gearbeiteten Schlange, die sich in den eigenen Schwanz biß. »Weil ich bei dir sein will, Lagide. Auch wenn der daimon dieser furchtbaren Schlacht noch ein paar Tage, oder auch Monde, stärker ist als deine Manneskraft, Herr.«
    »Habe ich das verdient?« sagte Ptolemaios leise.
    »Kein Mann verdient die Zuneigung einer Frau. Alle Männer verdienen im Schlaf den Dolch. Aber erst dann, wenn es etwas Besseres gibt, um sie zu ersetzen.«

    Er hatte Babylon – Bibili, die Pforte der Götter – unter einem strahlenden Himmel gesehen, an dem Tag, da der Satrap Mazaios, tapferer Gegner bei Gaugamela, die Tore öffnen ließ, um die Stadt, das Land, die Menschen und den Schatz zu übergeben. Er hatte die auf gewaltigen, schiffähnlichen Pfeilern ruhende Steinbrücke über den Euphrat beschritten, die vier Parasangen lange, zehn Männer hohe äußere Mauer bestaunt, mit ihrer Beschichtung aus bunten, glasierten Ziegeln, verfugt mit Asphalt, bemalt mit Stieren und Drachen. Die mit Ziegeln gepflasterte Straße der Götter, die vom Ishtar-Tor zum Tempelbezirk führte, zum großen Tempel des Bel, der Marduk war und Ammon und Zeus, mit der seltsamen Stufenpyramide, die siqurat genannt wurde, oder jedenfalls klang es so ähnlich. Die Kanäle mit ihren Verzweigungen und Treidelpfaden, die bewässerten Felder, die Haine der Dattelpalmen und Feigen und Kitrosbäume, die ordentlichen Obst- und Gemüsegärten mit Lauch, Zwiebeln, Knoblauch, Melonen, Gurken und etlichen Pflanzen, deren Namen er nicht kannte und deren Eßbarkeit er bezweifelte. Die zweigeschossigen Häuser der Wohlhabenden, mit Innenhöfen und Sickergruben; die Dachterrassen, auf denen in den heißen Monden die halbe Stadt saß und trank und schlief; die Häuser der Ärmeren, eng und schmucklos; die Plätze mit Brunnen; die Gehege, in denen Störche und Kraniche gemästet wurden; die Karawanenhöfe und Schänken und Lusthäuser... Und den Palast: von einem alten König, der auch einen Gang unter dem Euphrat hatte anlegen lassen, auf den Ruinen älterer Burgen und Paläste errichtet, von den persischen Satrapen erweitert und befestigt, mit Steinen, die aus weiter Ferne herangebracht werden mußten, mit Türmen und Ganglabyrinthen und Geheimtreppen und verlorenen Gemächern, und die unendlichen, üppigen Traumgärten, halb über der Stadt, auf Gewölbeschichten hängend, bei diesigem Wetter scheinbar schwebend.
    Es gab viel zu sehen; zu viel. In der Stadt, in der Umgebung; Händler aus Indien und Arabien, Eselmänner, mit denen er gern gezogen wäre, morgens, bevor der Verstand wieder in die gewöhnlichen Bahnen zurückgefunden hatte.
    Aber hinter, vielleicht unter allem war etwas Abstoßendes. Etwas, das gleichzeitig zu fressen und auszuspeien schien. Ptolemaios konnte es weder benennen noch abschütteln. Die Babylonier – die meisten sprachen ein geläufiges Aramäisch, neben den heimischen chaldäischen Zungen, und die Verwaltungssprache des persischen Reichs beherrschten inzwischen die meisten Offiziere wenigstens teilweise – erzählten von den anderen alten Städten des Lands zwischen den Strömen, von Ur und Uruk und Lagash und, weiter stromauf, den versunkenen Städten der grausamen Assyrer; sie erzählten von furchtbaren Kriegen und unfaßlichem Reichtum, von den Gesetzen der alten Könige und der ewigen Gesetzlosigkeit einen Steinwurf außerhalb der Mauern; nicht alle Geschichten hatten mit Babylon zu tun, aber alle kamen früher oder später auf Babylon zu sprechen. Pforte der Götter, Thron der Könige, Grab der Geschlechter ...
    Vielleicht war es genau dies, und alles, was sich daraus ergab. Das Wissen der Leute, in der ältesten aller Städte zu leben; als die anderen großen Orte geblüht hatten, mochte Babylon nur ein Dorf, eine Siedlung, vielleicht ein Flußhafen gewesen sein, aber Babylon war noch immer da, Ur und Uruk waren Legende, vom Schlamm des Flusses begraben und von den Schilfwäldern erstickt. Außerhalb der Reichweite, hinter der nächsten Ecke, in den Mienen der Bewohner, in ihren Gebärden und ihrem Zwinkern und ihren Anspielungen, lauerten die Jahrtausende – wie eine gestaute Zeitbrandung, die jeden Moment über den Makedonen zusammenschlagen und sie wegreißen, verspülen mochte, bis nichts blieb als wieder ein paar Geschichten oder, wahrscheinlich, nicht einmal das Vergessen. Zweitausend Jahre, oder dreitausend, oder viertausend? Ein Abgrund der Wunder und Verbrechen, darüber eine dünne Schicht aus Schwemmland und

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