Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
befremdlich klang, wurde zu einem vielfarbigen, mehrschichtigen Töneteppich, als Dymas auf der Kithara eine dritte, abermals versetzte Stimme dazu spielte. Einer der Lyristen stolperte; im Zelt herrschte plötzlich angespannte Stille. Die ungewohnte Mehrstimmigkeit machte den Musikern zu schaffen; beide Lyristen schwitzten und schnitten Grimassen. Der Trommler grinste und begann mit Anderthalb-Schritt-Schlägen; schließlich fiel die Harfe ein, zaghaft, mit Einzeltönen aufwärts und abwärts wie eine lückenhafte Wendeltreppe, die sich mal nach links, mal nach rechts drehte.
Als das Stück endete, hörte man zunächst nur das erleichterte Schnaufen der Lyraspieler, die mit hellen Fingern aus einem chaotischen fremden Land heimkehrten. Dymas sah Parmenion nicken, wie viele andere; Proteas rülpste – wahrscheinlich war es höchste Anerkennung, daß er dies während der Musik unterlassen hatte –, die meisten starrten auf einen Punkt hinter den Musikern.
Eine Hand legte sich auf Dymas’ Schulter; dann hörte er Alexanders Stimme. Der König mußte schon länger dort gestanden haben.
»Beifall wäre erniedrigende Beleidigung ob dieser Kunst.«
Alexander nickte den anderen Musikern zu, beugte sich zu Tekhnef, hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn und ging dann zu seiner Kline. Er deutete auf die Sänger. Während er sich von einem Königsknaben den Becher mit reinem Wasser füllen ließ und an einem Fetzen Brot knabberte, brachen die Sänger allzu laut, allzu dramatisch in Homerisches aus, unbegleitet. Die Musiker legten die Instrumente beiseite und wandten sich dem Wein und den Speisen zu.
Bei den übrigen Darbietungen – Tekhnef und Dymas spielten noch mehrmals mit den anderen, allerdings ohne die Führung zu übernehmen; der Magier verwandelte hinter bläulichem, stinkendem Rauch einen Brotfladen in einen weingefüllten Becher; die Schauspieler sprachen etwas Derberes aus dem Werk des Aristophanes – wurde teils lauter, teils leiser geredet. Nichts kam an die überraschende Wucht und Vollkommenheit jenes ersten gemeinsamen Stücks heran; Tekhnef zwinkerte Dymas irgendwann spöttisch zu. Der Kitharist hatte das Instrument wieder in die Ledertasche geschoben und beobachtete die Männer, die in wenigen Stunden das Heer der Satrapen des Großkönigs sehen sollten, schlitzende Schwerter, blutige Lanzen, die vielen Gesichter und Stimmen des kreischenden Todes. Sie wirkten allesamt gelassen; einige waren nüchtern, andere leicht berauscht oder völlig betrunken, und er begriff jäh, daß es ihre Arbeit war, Männer zu führen und sich der Unsterblichkeit im Kriegstod zu stellen; wie es seine Arbeit war, Saiten zu stimmen und Klänge zu weben: kein Grund zur Erregung.
Und er beobachtete den König. Irgend etwas an Alexander war unausgesetzt in Bewegung – ein Muskel, ein Fuß, eine Hand, die hellblauen Augen; als ob ständig Kraft abfließen müsse, weil andernfalls das Gefäß börste. Immer wieder fühlte Dymas sich an einen geschliffenen Kristall erinnert, den er einmal besessen und verloren hatte, ein unendlich zartes und unendlich hartes Ding mit zahllosen Flächen, deren jede anders war, auf unterschiedliche Art vollkommen, immer neu und überraschend, wie das Licht wechselte. Ein Blick zu einem der dienenden Fürstenknaben, mit einer kaum wahrnehmbaren Handbewegung zum vier oder fünf Schritte entfernt liegenden Hephaistion: zwei Formen inniger Liebkosung, die für Momente ein flackerndes Dreieck im Raum entstehen ließen. Leise Worte und eisiger Blick, die Aristandros’ mürrischen Monolog zu torkelnden Wörtern und stammelnden Gebärden machten. Anmut und Höflichkeit gegenüber den Älteren, vor allem Parmenion; spöttische Vertraulichkeit gegenüber den gleichaltrigen Gefährten. Kummerwolken im Gesicht, als Arridaios mit fahrigen Bewegungen aufbrach; offener Hohn, als Kleitos und Demetrios den besinnungslos betrunkenen Proteas wegschleppten, wie eine aufgelöste Gliederpuppe. Grimmiger Witz, als er von der vorgetäuschten Belagerung der Stadt Lampsakos berichtete – einer Belagerung, zu der er weder Zeit noch Lust noch die Mittel hatte, solange das Heer der Satrapen in der Nähe war – und von den fünfzig Talenten, die die reichen Händler für die Verschonung des Orts gezahlt hatten; Skepsis und Mißbilligung, als Antigonos der Einäugige von den Karren der Händler und Huren sprach, denen Harpalos angeblich zuviel abpreßte für das Recht, das Heer begleiten und versorgen zu dürfen. Ein
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