Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Laomedon, Seleukos, Kleitos der Schwarze und sein Neffe Proteas. Aristandros der Seher hockte wie eine windgezauste Krähe neben dem Eingang, in schwarzem Umhang und offensichtlich schwärzlicher Laune. In der Mitte, von schlichten Fellen bedeckt, stand die Kline des Königs, leer; Hephaistion lehnte rechts auf einer Liege, links rekelte sich Alexanders Halbbruder Arridaios. Er trank aus einem einfachen Zinnbecher, Wein troff vom Kinn auf das schon reichlich besudelte, ehemals weiße Obergewand; aber die Augen waren eisig und wachsam. Ein Offizier, der den größten Teil der Söldner befehligte, und der Lynkeste Alexandros halfen Proteas beim Trinken, von Kleitos mißmutig beobachtet. Der Lynkeste hielt den Becherarm des für Wein und schlechte Witze berühmten Mannes, während der andere aus einem irdenen Krug nachgoß: unverdünnten Wein. Arridaios zwinkerte, rülpste und deutete auf Kleitos’ Neffen.
»Dhu dha« – er sabberte beim Sprechen; seine Zunge war zu lang – »eheh, Protheass, dhu bisst hier falssch: Wirth hätthsst dhu werdhen ssollen.«
Gleich am Eingang standen ein paar Tische und leichte Bänke für die Unterhalter: eine Harfenspielerin – neben Tekhnef die einzige Frau in der Runde –, zwei Sänger, zwei Schauspieler mit Komödienmasken lose am Hals, ein Magier, ein Trommler und zwei Männer mit Lyren. Dymas und Tekhnef setzten sich zu ihnen. Während der Musiker sich mit Wein und kaltem Braten bediente, überlegte er, ob die Abwesenheit bestimmter Männer etwas bedeuten mochte. Kallisthenes fehlte, ebenso der hinkende Schatzmeister Harpalos; Eumenes von Kardia und der Kreter Nearchos, die Führer der technischen Truppen und der Wissenschaftler. Alle Anwesenden gehörten zu den Kampfeinheiten, bis auf Arridaios, oder sie waren – wie der alte Demaratos und der vermutlich nicht eben kampftüchtige Proteas – hetairoi des Königs und damit Teil der Gefährtenreiterei, selbst wenn sie nicht in die Schlacht ziehen sollten. Entweder hatten die anderen besondere Vorbereitungen zu leisten, oder der König hatte absichtlich nur jene geladen, die in der bevorstehenden Schlacht wichtig sein würden.
Arridaios klatschte in die Hände und deutete auf die Musiker. Der Trommler und die beiden Lyristen begannen, die Frau mit der Harfe fiel nach der ersten Hälfte einer schnellen Tanzweise ein. Sie waren nicht schlecht, aber auch nicht gut. Tekhnef holte ihren Doppelaulos hervor, blies leise ein paar Töne, verzog das Gesicht und setzte die Flöten wieder ab; Harfe und Lyren, vorher wahrscheinlich aufeinander abgestimmt, waren fast einen Ton zu tief, als daß sie hätte mitspielen können. Nach dem Ende des Stücks nahm Dymas die Kithara und schlug ein paar Harmonien, die durchs Zelt wallten; Tekhnef spielte einige schnelle Läufe. Die anderen Musiker begriffen und begannen umzustimmen, was bei der Harfe sehr lang dauern würde.
Dymas spielte einen beinahe feierlichen, schleppenden Tanz, den er vor Jahren in Halikarnassos gehört hatte, eine schräge Mischung persischer und karischer Tönungen. Tekhnef befestigte die lederne Gesichtsbinde, die Kiefer und Wangen hielt, so daß die Auletin, ohne sich um den im Mundraum entstehenden Druck (und die Verzerrung des Gesichts) kümmern zu müssen, alle Aufmerksamkeit den zu erzeugenden Klängen widmen konnte. Sie blies auf dem linken Aulos einen tiefen Dauerton; die rechte Flöte übernahm in höherer Lage Dymas’ Melodie, mit kleinen Verzierungen. Der Mann mit der Trommel – einem mit Kalbfell gespannten Hohlrad – kannte sich offenbar in asiatischen Verfremdungen aus: Er verschob nach und nach die Betonung vom ersten auf den zweiten, dritten, vierten, dritten, zweiten Schlag, was Dymas mit einem freundlichen Grinsen begrüßte.
Eine der beiden Lyren nahm die Melodie auf; die zweite ließ sich nicht recht stimmen: Der Ball aus Schwarte und Harz, um den die vierte Saite gewickelt war, gab immer wieder nach. Schließlich knurrte der Musiker, ließ die Saite völlig schlaff und benutzte nur die übrigen. Als auch er die Melodie gefunden hatte, nickte Dymas übertrieben und hörte einen Moment auf zu spielen. Halblaut sagte er:
»Macht das immer so weiter, ja?«
Als die Lyristen blinzelten, verließ Tekhnef ihre höhere Lage. Ohne den Grundton der linken Flöte zu verändern, wanderte sie mit der rechten fast zwei Drittel der Klangstufen herab und spielte zuerst die Melodie, dann nur noch Verzierungen um diesen neuen Grundton herum. Was zunächst schmerzhaft
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