Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
mit Brotstückchen und verbrachte eine selige halbe Stunde damit, die wunderbaren Tiere zu füttern. Mit der letzten Handvoll Brotkrümel, die er ins Meer warf, flog jene seltsame Scheibe, die der Luwier ihm gegeben hatte. Dymas bemerkte es zu spät; er sah das Blitzen des Metalls, nicht aber den Einschlag im aufgewühlten Wasser.
Phönikien war in diesem Herbst ein brodelnder Topf, überfließend von Menschen, Gerät, Meinungen, Gerüchten und Geld. Harpalos’ Flucht war nahezu grenzenlos unbedeutend, verglichen mit anderen Ereignissen und Nachrichten. Alexander hatte in Susa, oder Ekbatana, oder Opis, oder irgendwo sonst erste Anweisungen für die kommenden Jahre gegeben. Ägypter sollten in Syrien angesiedelt werden, Hellenen in Phönikien und Babylonien, Phöniker – vor allem Baumeister, Werftarbeiter, Tauschläger, Segelmacher – zu Tausenden nach Babylon gehen. Innerhalb eines Jahres wollte der Makedone, Asiens Herr, nicht weniger als 1000 Dreidecker bauen lassen, etwa zur Hälfte in Phönikien, auf Kypros und anderen Inseln, zur anderen Hälfte von phönikischen Fachleuten in Babylon. Neben den 1000 Trieren wurden, den Anweisungen gemäß, Riesenmengen kleinerer Einheiten benötigt, Lastschiffe, Versorgungsschiffe, Aufklärungsschiffe, neu zu bauen oder in gutem Zustand zu stellen oder zu erwerben, von den verschiedenen Verwaltungen. Alle Verbannten außer den Thebanern sollten in alle Heimatstädte heimkehren; alle, denen es dort nun zu eng wurde, sollten nach Persien und Babylonien kommen. Aus dem heimgekehrten Heer wurden Tausende Söldner entlassen; Alexander hatte ebenso die Satrapen angewiesen, ihre eigenen Söldnerheere aufzulösen – die Sicherheit des Reichs sei durch Niederwerfung aller Feinde gegeben, die zahllosen kleinen Heere nicht mehr nötig. Ganze Ortschaften zogen um, brachen auf zu langen Märschen, und Fremde, die nie etwas von dem Ort gehört hatten, wurden von makedonischen Beamten dort angesiedelt. Der Warenaustausch zwischen Osten und Westen, Hellas, Babylonien, Persien und Ägypten hatte sich verzehnfacht; gleichzeitig nahm die Zahl der für Karawanen verfügbaren Pferde immer stärker ab, da das neue Heer des Königs Reit- und Lasttiere brauchte. Als Dymas in Sidon an Land ging, hörte er von mehreren großen Tierfängerzügen, die im Inneren Arabiens Kamele für Heer und Handel beschaffen sollten.
Männer, die aus dem Osten kamen, berichteten von den zwiespältigen Stimmungen in Alexanders Umgebung. Es gab, sagten sie, auch unter den Kämpfern viele, die den grauenhaften Marsch durch die gedrosische Wüste als gewollte Strafe, als Mordanschlag Alexanders ansahen; aber je länger der Marsch zurücklag, desto stolzer wurden die Überlebenden: Sie hatten, mit ihrem göttlichen Führer, die größte und schrecklichste aller Herausforderungen bestanden und fragten nicht mehr, wer da wen oder was herausgefordert haben mochte. Von der Massenhochzeit zu Susa wurde berichtet, von der zwangsweisen Vermählung auch einfacher Kämpfer mit asiatischen Frauen und Mädchen. Vom Schuldenerlaß – Alexander beglich alles, was seine Krieger den Händlern und Geldverleihern schuldeten, aber dazu mußten Listen angefertigt werden, und die Hopliten waren zunächst mißtrauisch. In Asien hatten sie zu oft erlebt, daß andere Listen angefertigt wurden, daß Männer, deren Namen auf derlei Listen standen, spurlos verschwanden oder zu Unternehmungen gesandt wurden, die nur mit ruhmreichem Tod enden konnten. Vielleicht war ja auch diese angebliche Schuldenübernahme nichts als eine weitere Todesliste. Später priesen sie dann wiederum den Herrscher, der wirklich alle Schulden übernahm, alle Kinder – Mischlinge – zu versorgen versprach, die alten Kämpfer reich beschenkte.
Dann kamen die Geschichten von der Meuterei der Makedonen, die nicht in die Heimat geschickt werden wollten; von der Versöhnung; vom Abmarsch der Elftausend unter Krateros. Mit gemischten Gefühlen hörte Dymas – da spielte er in den Schänken von Berytos –, daß Krateros in Pella die Nachfolge des alten Strategen für Europa antreten sollte, und daß Alexander Antipatros nach Babylon bestellt hatte.
Die nächste Katastrophe, im späten Herbst, als Dymas von Jerusalem zurück nach Sidon reiste: In Ekbatana starb Hephaistion, offenbar an Erschöpfung und Trunksucht, nach mehrtägigem Gelage. Da niemand sonst im Heer den Tod des Hochmütigen beklagen mochte, trauerte Alexander desto mehr und desto maßloser um Patroklos und
Weitere Kostenlose Bücher