Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Enkidu, schloß sich wieder tagelang von allen ab und brach anschließend, um die gestaute Trauer und Energie abzulassen, zu einem überflüssigen Feldzug gegen das Bergvolk der Kossaier östlich von Susa auf, die er in wenigen Tagen fast vollständig ausrottete. Dazu schickte er zwei Gesandtschaften los; die eine sollte im Ammoneion zu Siwah erfragen, ob Hephaistion als Gott zu verehren sei, die andere sollte in Athen göttliche Ehren für Alexander verlangen. Wie man erzählte, enthielt sich Demosthenes jeglicher Äußerung; Demades hingegen soll gesagt haben, wenn es den Makedonen erfreue, als Gott bezeichnet zu werden, so wolle man ihm diese kleine Freude machen – Athen könne es nicht schaden, und den Göttern sei es gleichgültig.
In Sidon wußte man, daß Alexander nunmehr Susa und Ekbatana verlassen und sich zur Vorbereitung des Westzugs nach Babylon begeben würde; Dymas hörte es am dritten Tag in der Schänke, in der er einen kleinen Schlafraum und einen Platz für Musik fand, als er zu Beginn des Winters die Stadt wieder erreichte. Er ließ sich auf das schmale Lager – Strohsäcke und Felle – fallen, dachte eine Weile nach, folgte den wirren Wanderungen einer Schabe mit den Augen, stand auf, erschlug sie und ging zum Hafen. Er war unentschlossen; eigentlich hätte er nun nach Persien aufbrechen können, um in den Osten zu gelangen, in Alexanders Rükken. Andererseits fragte er sich, ob nicht dem flüchtigen Blick auf den Makedonen ein Ausweichen nach Norden vorzuziehen wäre, nach Hellas, nach Makedonien, nach Thrakien – oder Illyrien. Dyrrhachion ... Etwas wie Heimat steckte für ihn im Namen des Orts, in dem ohne zwangsweise Umsiedlung hundert verschiedene Völker zusammenlebten. Von dort vielleicht in italische Länder, oder weiter nach Norden, zu den Kelten, zu den Völkern der Bernsteinlande...
Aber im Hafen hörte er, es werde viele Tage lang kein Schiff nach Hellas oder zu den Inseln fahren. Es war die Zeit der Winterwinde, und die meisten Frachtschiffe hatten ohnedies mehr als genug zu tun, des Königs Nachschub von Küstenstadt zu Küstenstadt zu befördern und sich mit den neuen schweren Silberzehnern, Dekadrachmen mit Alexanders Bild, bezahlen zu lassen.
Ein arabischer Karawanenmann, der Kamelfüllen zu einem Händler in Sidon gebracht hatte und um deren geringe Last – Weihrauch – nun mit einem kyprischen Handelsschiffer feilschte, bohrte dem Sänger einen Finger in die Brust.
»Was willst du auf dem Wasser, Fremder? Es ist salzig; man kann es nicht trinken; wenn die Götter gewollt hätten, daß wir dort reisen, hätten sie uns Kiemen gegeben.«
»Das stimmt, Vater der Herden. Aber die salzige Weite ist gut, wenn man sich verlieren will.«
Der Araber lachte. »Wenn du verlorengehen willst, so ist durch den Ratschluß der Himmlischen die Wüste dein Ort. Nirgends kannst du gründlicher verloren sein, und kaum ein Ort macht das Wiederfinden so unmöglich.«
»Die Wüste?« Dymas kratzte sich den Kopf. »Auch Salz und Weite, wie? Und Sand.«
Der Araber hob die Hände. »Herr, Freund, Fremder – du weißt nicht, was du sagst. Golden spiegelnde Verheißungen von Wasser, die sich wie die Güte des Menschen auflösen, wenn du dürstest. Alles Gold, alle Edelsteine der Welt gleißen von der Stirn der Nacht, unerreichbar dem Gierigen und doch in der lauteren Luft zum Greifen nah. Felsen in tausend Farben, geformt wie die Ungeheuer der Tiefe oder die Todesschiffe deines Königs. Wogen – hoch wie deine Gedanken, schwungvoll wie deine Hoffnungen, öde wie deine Aussichten. Alles Salz aller Meere, aus dem Boden gebrannt in tödlichen Senken von mordender Sonne. Die erhabene Unendlichkeit des tausendfachen Sterbens, o Mann der sich verlieren will. Aber auch die Erhabenheit der rettenden Inseln, leuchtend grüne Kleinode mit Quellen und Palmen und Gras. Die Gastlichkeit der Zelte, die Anmut der Wüstentöchter! Ah! Was treibt mich in dieses öde Häusermeer, wozu habe ich die Köstlichkeit aufgegeben um den Anblick von Horden? Weh!« Er fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht; dann grinste er.
»Wie findet man den Ort, wo man sich verliert?«
»Zufällig trifft es sich, daß ich dorthin heimkehre – nicht ganz heimkehre, aber doch ein wenig. Und nichts könnte mich mehr entzücken, als einem weitgereisten Mann, der sich verlieren will und deshalb, da er nie wieder Münzen brauchen wird, alle Welt durch seine Freigebigkeit überwältigt, den Rücken eines Reittieres zu
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