Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
keinen Schritt weitergekommen.
Das Funkeln der Sonnenstrahlen auf Waffen und fremde Stimmen weckten Ephialtes auf. Der Athener sprang von seinem Lager, riß das Schwert an sich und hastete die Holzleiter zum Dach hinauf. Knephalos folgte ihm; als unfreiwilliger Gast der Stadt war auch er belagert und versuchte, sich als Helfer, Berater und Schreiber von Ephialtes nützlich zu machen. In der Stadt war es ruhig; über die dicken Mauern aus Steinquadern kamen die ersten Sonnenstrahlen. Mit einem schnellen Rundblick sah Ephialtes, daß alle Wachen auf den Dächern, auf der halbkreisförmigen Mauer und den Felsen der beiden Vorgebirge standen.
»Was bedeutet das Lärmen, Mann?« schrie er, beide Hände am bärtigen Kinn. »Greifen sie endlich an?«
»Vielleicht später. Sie waren am Hafen, in der Nacht. Jetzt kommen sie zurück.«
»Der Graben im Norden?«
»Sie füllen ihn noch immer auf. Sollen wir ihnen die Arbeit sauer machen?«
»Noch nicht. Erst müssen wir beraten.«
Der befestigte Hafen öffnete sich nach Nordwest. Die Stadt erhob sich wie ein Theater in halbkreisförmigen Straßen und immer höheren Rängen, zwischen uralten Bäumen bis zur Stadtmauer. Sie war gegen die Felder und ebenen Flächen durch einen zwanzig Schritt breiten und zehn Schritt tiefen, felsigen Graben geschützt. Die beiden Männer, die auf einem der obersten Häuser standen, konnten fast ungehindert über die Mauern und hinaus aufs Meer blicken. Zuerst starrten sie dorthin, wo die Fremden schufteten. Ein Windhauch brachte den stechenden Geruch des Schweißes heran.
Es sah aus, als wolle der kleine Sohn Philipps die Stadt belagern, bis sie geschleift werden konnte.
Hütten aus Balken und nassen Fellen schützten die Makedonen vor den Pfeilen und Steinschleudern der Verteidiger. Unaufhörlich schleppten Hunderte schwitzender Männer Steine und Erde in Körben heran und schütteten einen breiten Damm im Graben auf. Dort würden die Belagerungsmaschinen aufgestellt werden.
Auf der Innenseite der Ringmauer wuchs der Turm der Verteidiger. Die Söldner bauten ihn unter dem Befehl des Mannes aus Rhodos, Memnon. Eine hölzerne Pyramide, auf deren Plattformen Katapulte, Pfeilschleudern und Krieger stehen sollten. In der Nacht war wenig gearbeitet worden, jetzt kamen die Zimmerleute und die Schmiede wieder zusammen. Von einem Mauerturm ertönte ein häßliches Schnarren, dann erschütterte ein harter Schlag die Ruhe des beginnenden Tages, und heulend raste ein Schwarm kurzer Pfeile von der Mauer hinüber zu den schuftenden Makedonen. Die Männer sprangen fluchend in die Deckung der nassen Felle.
»Sie haben am Granikos gesiegt, vor drei Monden«, murmelte er und sah die langgestreckten Wolken der rosenfingrigen Eos an. »Und sie werden auch Halikarnassos schleifen, die Rasenden.«
Er ahnte, daß dieser Tag nur ein Glied war in einer langen, ehernen Kette, und das Ende würde Tod und Chaos. Vielleicht auch für ihn. Jeder starb seinen eigenen Tod. Ephialtes schob das Schwert in die Gürtelscheide und kletterte zurück in den winzigen Wächterraum. An den Wänden standen und hingen Waffen, auf einem Wandbrett stand ein Krug. Der Athener trank. Dann legte er Waffen an und ging zur Burg, unten am Hafen. Die Stadt wimmelte von Kriegern des Dareios in ihren farbenprächtigen Rüstungen und Kleidungsstücken, und von Söldnern mit wettergegerbten Gesichtern.
Kaum war er einige Schritte gegangen, ertönte hinter ihm wildes Geschrei. Er blieb stehen, drehte den Kopf und sprang in eine offene Tür. Ein kantiger Felsen, groß wie der Oberkörper eines Kindes, wirbelte mit dumpfem Heulen durch die Luft, kam schräg herunter, überschlug sich und prallte gegen den steinernen Bogen über zwei Säulen. Steinbrocken, Teile des Simses und abgerissene Figuren schlugen, eingehüllt in Staub und Sand, zu Boden. Gackernd flogen Hühner in alle Richtungen, ein Pferd scheute, und fluchende Männer sprangen zur Seite. Die Säulen taumelten. Eine fiel knirschend um und zerschmetterte zwei Schafe, die blökend stehengeblieben waren. Langsam kollerte der zerplatzte Steinbrocken die abschüssige Straße hinunter.
»He, Ephialtes, wohin gehst du?«
»Hinunter, zu Memnon. Er soll uns sagen, was wir gegen den Knaben aus Pella tun. Keiner hier kann ruhig schlafen.«
»Dareios wird kommen und die Makedonen zurückschlagen.«
»Der hat anderes zu tun«, knurrte Ephialtes und würgte den Rest eines Fluches herunter.
Die Mauern und ihre Türme, die Zinnen und die
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