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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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losbrach.
    Vor dem alten assyrischen Torbogen begann das Gedränge; Menschen allen Alters wollten den jungen Herrscher betrachten und bewundern, der dem Großkönig trotzte und bereits so viele Wunder bewirkt hatte.
    Als Alexander, die Würdenträger und die wichtigsten Begleiter zur Akropolis hinaufstiegen, folgten ihnen zahlreiche Phrygier, aber auch makedonische Kämpfer, die in die Stadt gekommen waren.
    Vor dem Zeus-Tempel stand der Wagen, den angeblich König Midas besessen und dem Gott geweiht hatte. Zufällig stand Ptolemaios neben Aristandros, als der Hof sich zu füllen begann. Er sah, wie der Telmessier in den Himmel blickte und nickte.
    »Was befriedigt dich, Aristandros?«
    Der Seher zwinkerte. »Ein wetterkundiger Bauer hat uns gesagt, es werde nicht nur Regen, sondern auch ein Gewitter geben. Etwa in einer halben Stunde – ab jetzt.«
    »Und? Was gibt es da zu nicken?«
    »Er wird wohl recht behalten – und du wirst sehen.«
    »Sollte der Wagen nicht im Tempel stehen?«
    Aristandros lächelte. »Die Priester haben ihn herausgeholt, damit mehr Leute sehen können, wie Alexander am Knoten verzweifelt, wie so viele vor ihm.«
    Alexander und die Zeus-Priester hatten einige vermutlich höfliche Worte gewechselt; nun schritt der Makedone um den uralten, wurmstichigen Wagen herum. Ein Wunder, dachte Ptolemaios, daß das Gefährt die Fahrt aus dem Tempel in den Hof überstanden hatte. Ein Wunder ferner, daß Alexander völlig ungerührt wirkte, beinahe sorglos; dabei stand hier allerlei auf dem Spiel. Die Prophezeiung, die Herrschaft Asiens, der Glaube der Makedonen an den von Göttern begünstigten König, die Hoffnung nicht weniger Phrygier auf das Versagen des vorwitzigen Makedonen ...
    Alexander kniete nieder; bevor er sich dem Knoten widmete, schaute er noch einmal zum düsteren Himmel hinauf. Aristandros berührte Ptolemaios an der Schulter, blinzelte und drängte sich weiter vor, bis er am Heck des Wagens stand.
    Dort, wo der alte zerfressene Pflock Deichsel und Karren verband, hatten kluge, feinfingrige Männer einen dicken Ball aus Kirschbast und Lederschnüren, mit tausend Knoten, um die Verbindung geschlungen; oben und unten war vielleicht je eine Fingerbreite des Pflocks zu sehen. Alexander berührte den Knoten hier und da; ringsum wurde Gemurmel laut, einige Gesichter zeigten Spannung, andere deutlichen Hohn.
    Ptolemaios ging dorthin, wo Hephaistion, Kleitos, Koinos und andere Offiziere standen. Er sah, wie Krateros die Hand an den Schwertgriff legte, das Kurzschwert zog, es Alexander reichte; er hörte, wie der König sagte: »Parmenions weiser Rat – wer Wein will, soll die Amphore entstöpseln, nicht zerschlagen«; er zweifelte, als Philipps Sohn sich scheinbar ratlos erhob, den Kopf kratzte, in den Himmel blickte und sich an den obersten Priester des Tempels wandte.
    »Wie lautet die Prophezeiung genau?«
    Mit merklichem Hohn sagte der Priester: »Wer die Deichsel vom Wagen trennt, wird Asien beherrschen.«
    Aristoboulos zupfte an Ptolemaios’ kurzem Ärmel. »Was ...« Dann schwieg der Wissenschaftler, denn Alexander kniete wieder nieder. Ein Regentropfen klatschte neben ihm auf den hartgestampften Boden.
    »Wagen und Deichsel trennen, wie?« sagte der König: »Nicht: den Knoten lösen.«
    Mit seinen feinen, kräftigen Fingern ergriff er die eben noch sichtbare Spitze des Pflocks und rüttelte daran; von Würmern zerfressenes, uraltes, morsches Holz rieselte an der Unterseite des unfaßlich verwickelten Bast-und-Lederballens zu Boden. Alexander rüttelte stärker; dann nickte er sanft und zog den zerfressenen Pflock langsam nach oben aus dem Knoten. Er stand auf, lächelte den Priester an, bückte sich, zerrte an der Deichsel, die nicht mehr vom Pflock gehalten wurde, und zog sie aus dem Knotengeflecht.
    Kallisthenes zischelte: »Mit dem Schwert wäre es schöner für Hellas gewesen, aber ...«
    Ringsum herrschte immer noch sprachloses Schweigen. Alexander ließ die Deichsel fallen; der Zeuspriester hob die Hände. Aristandros trat vom Heck weiter vor und rief:
    »Der Herr über Asien! Wartet, ob die Götter sprechen! Zeus, der du auch Ammon bist, sieh da – dein Sohn!«
    In diesem Moment riß der Himmel auf. Giftgelbe Blitze zuckten vor den schwarzen Wolkenmassen von Horizont zu Horizont. Dann krachte der Donner, betäubend, wuchtig, erwartet und doch unglaublich. Der Zeuspriester kniete nieder; Aristandros hob die Hände zum Himmel; Alexander stand lächelnd neben dem Karren und

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