Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
unguten Gefühlen kletterte der Makedone hinüber auf das zweite Schiff, wo ein weiterer Karchedonier wartete, ihn durch ein stummes Nicken begrüßte und zur anderen Seite geleitete. Noch einmal schwankende Planken über der schmatzenden See, dann endlich der Gang zu einem Achterdeck, die Stufen hinauf, zu einem kleinen Klapptisch, zu zwei Stühlen.
Der Mann, der ihn erwartete, sah dem Offizier an Bord des ersten Schiffs sehr ähnlich: dunkles Haar, dunkler Bart, Ringe in den Ohren, heller Chiton, allerdings kein Brustpanzer. Er mochte zwischen 30 und 40 Jahre alt sein. Die Augen waren schwarz und wach; die Hände, die Wasser und Wein mischten und Ptolemaios einen Pokal reichten, fein und doch kräftig.
»Sprich, Makedone – und dreh den Kopf zur Seite, daß ich deine Nase sehe.«
Ptolemaios hob die Schultern und blickte zum vierten, dann zum zweiten Schiff, dann wieder zu seinem Gegenüber. »So?«
»Es ist recht, Ptolemaios, Sohn des Lagos. Willkommen an Bord.«
Fast gespenstisch fühlte er sich an die Begegnung mit dem fetten Bagoas erinnert, der ihn ebenfalls schnell erkannt hatte. Ihm fiel ein, was Demaratos im Laufe der langen Unterrichtung gesagt hatte: Alle Dienste müssen die wichtigsten Leute der anderen Seite kennen.
»Ich bin geschmeichelt, daß ihr mich für ausreichend wichtig haltet«, sagte er. »Darf ich deinen Namen wissen?«
Der Karchedonier lächelte. »Hamilkar – das mag genügen. Wer schickt dich?«
Ptolemaios zögerte einen Moment; er fühlte einen Hauch von Kälte und Erschrecken. »Der Hamilkar?«
»Mag sein. Wer schickt dich?«
Das Bewußtsein, dem Lenker der Aufklärer und Kundschafter jener Macht gegenüberzusitzen, die einen Teil Siziliens, Sardonien, halb Kyrnos, das südliche Iberien und Libyen westlich von Ägypten beherrschte, hatte eine seltsame Wirkung: Ptolemaios war wie befreit. Der lagidische Fürstensohn konnte offen sprechen, zu einem karchedonischen Fürsten, der so weit über allen Versteckspielereien stand, daß nur die gewöhnlichen Vorsichtsregeln zu beachten waren, aber nichts anderes – nichts, was nötig gewesen wäre, sich einem anderen gegenüber auszuweisen, dessen Verläßlichkeit bezweifelt werden mußte.
»Demaratos. Und Alexander.«
Einen halben Moment lang zogen sich die Augen des Karchedoniers zusammen; das Ollämpchen, das ein Bewaffneter auf den Tisch gestellte hatte, war hell genug, um dies zu zeigen.
»Was sollst du mir sagen?«
Ptolemaios holte den kleinen Lederbeutel hervor und legte ihn auf den Tisch. »Diese Kräuter hat der König selbst gesammelt; ihre Verwendung, oder die anderer Dinge, oder auch die Nichtverwendung – all dies legt er in deine Hände.«
Hamilkar nahm den Beutel, öffnete ihn, roch, zuckte zurück und schloß ihn wieder. »Bah. Ich kenne genug, um ... Nun ja. Weiter.«
»Dies ist die Botschaft. Wenn einer deiner Vettern, etwa aus eurer Mutterstadt Tyros, durch gutes Zureden oder andere Mittel den Rhodier von seinem derzeitigen Vorgehen abbringen kann, soll es für« – Ptolemaios zögerte – »zehn Jahre weder Einmischung noch Unterstützung geben.«
»Warum hast du gezögert?«
»Demaratos sagte, ich solle fünf Jahre bieten und mich auf zehn heraufhandeln lassen.« Ptolemaios lächelte. »Es erschien mir würdelos dir gegenüber.«
Hamilkar hob kurz die Brauen. »Weiter.« »Kein Vordringen jenseits der Grenzen bei Kyrene – bei den Altären, genauer; keine Unterstützung aus den makedonisch beherrschten Teilen von Hellas für die Sikelioten – gleich ob Syrakus oder sonst jemand. Keine Sonderzölle für eure Händler in unseren Häfen. Weitgehender, wenn auch nicht hemmungsloser Austausch von Kenntnissen.«
Hamilkar zog die Oberlippe zwischen die Zähne. »All dies für – das?« Er berührte den Beutel.
Ptolemaios hob die Schultern. »Gewisse weitere Gefälligkeiten wären denkbar.«
»Zum Beispiel?«
»Die Auslieferung eines fetten Persers.«
Hamilkars Stirn zeigte senkrechte Falten. »Ihr habt Bagoas den Huldreichen, nicht wahr?«
»Was könnten wir vor dir verbergen?«
»Nur die wichtigen Dinge.« Hamilkar kicherte leise:
»Wie kommt es, wenn ich fragen darf, daß Karchedons wichtigster Mann so weit im Osten weilt? Mit Kampfschiffen und Begleitern?«
»Wenn wichtige Dinge geschehen, die einen berühren, sollte man – nachsehen. Und notfalls nachhelfen. Die Öffnung der bisher von den Persern beherrschten Häfen... Zehn Jahre, sagst du?«
»Zehn Jahre.«
Hamilkar schwieg eine längere
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