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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Zuerst hatte er auch seine Probleme mit Jürgen, daran erinnere ich mich noch gut. Einmal die Woche bin ich mit dem Jungen zu dem Professor gefahren. Und nach einiger Zeit ging das Gefasel von diesem Drachen los. Ich dachte: Jetzt wird es ja noch schlimmer. Aber der Doktor sagte: Es wird erst immer alles schlimmer, bevor es besser werden kann. Und genau so isses.« Roth schniefte. »Er bekam diese neuen Pillen, aber war wohl noch nicht richtig darauf eingestellt worden.«
    »Neue Pillen?« Marlon schoss herum.
    Roth nickte. »Leider geschah dann diese wirklich dumme Sache mit dem Kindergarten. Aber inzwischen scheint es Jürgen ja besserzugehen, nachdem er wieder beim Doktor in Behandlung ist. Und die Pillen verträgt er mittlerweile auch gut. Sie liegen da auf seinem Nachttisch. Meine Frau stellt sie für Jürgen immer noch hin, damit er sie nicht vergisst.«
    Marlon schritt zum Bett. Auf dem Nachttisch stand ein mit asiatischen Mustern bedruckter Unterteller, auf dem sich zwei Tabletten befanden. Daneben lag eine weiße Packung, ohne Schriftzug und Bezeichnung.
    Marlon schluckte. »Wann hat die Behandlung damit begonnen?«
    »Vielleicht vor fünf Jahren«, schätzte Roth. »Engberts sagte, das sei etwas ganz Neues. So neu, dass es noch nicht mal auf dem Markt sei. Er hat sogar selbst daran mitgearbeitet.«
    Marlon drehte die Verpackung in der Hand. Und dann sah er den kleinen Punkt auf der Lasche – nicht größer als ein Stück Konfetti. Er hatte den Farbtupfer auch auf seinen eigenen Medikamentenschachteln gesehen, ihm aber nie Bedeutung zugemessen oder ihn näher betrachtet.
    »Und wann genau«, fragte er heiser, »hat Jürgen begonnen, von dem Drachen zu erzählen?«
    »Seit er die Pillen nahm. Aber wie gesagt: Der Professor hatte ja erwähnt, dass es erst schlimmer werden wird, deswegen habe ich mir keine Gedanken gemacht. Jürgen hatte sich da eine Geschichte zurechtgesponnen. Hat wohl etwas mit dem Aufdruck da zu tun.«
    »Mit diesem?« Marlon hielt die Verpackung hoch und zwang sich, ruhig zu sprechen.
    Roth nickte. »Ja. Ist nur ein Firmenaufdruck, denke ich. Aber es sieht so aus wie ein Drache, oder?«
    In der Tat, das tut es,
dachte Marlon.
Und zwar wie ein purpurfarbener.
Er musste so schnell wie möglich einen Blick in Roths Klinikakten werfen. Und vor allem würde er ein ernstes Gespräch mit Engberts führen müssen. Unter vier Augen.

[home]
    41 .
    S chneider lehnte mit einer Pall Mall an Tsoukas’ Vectra. Die beiden Polizisten in den lindgrünen Uniformen waren in ihrem Streifenwagen geblieben. An dem kleinen Strand des Ortes lagen einige bunte Fischerboote, und Schneider verzog den Mund, als der Wirt mit drei Tintenfischen in der Hand aus der kleinen Taverne kam und die Biester an einer Wäscheleine zum Trocknen aufhängte.
    Endlich kehrte Tsoukas aus der Hotellobby zurück. »König ist wohl eben noch hier gewesen. Er sei sehr aufgedreht gewesen und habe in einer Tour wirres Zeug geredet. Schließlich hat er sich nach dem Weg zum Heraion erkundigt.« Als er Schneiders fragenden Blick sah, ergänzte er: »Das ist ein alter Tempel. Eine Ruine. Früher mal der größte von ganz Griechenland und der Hera gewidmet, der Mutter aller Götter. Deswegen heißt dieser Ort auch nach ihr: Ireon.« Er öffnete die Wagentür. »Sie haben gefragt, ob er sich was antun wolle und wir deswegen nach ihm fragen.«
    »Glaube ich nicht«, antwortete Schneider und stieg ein. Dann korrigierte er sich. »Hoffe ich zumindest.«
    »Können wir das ausschließen?«
    Schneider schüttelte den Kopf. »Ist der Tempel weit weg?«
    »Zehn Minuten. Wir sind in fünf da«, sagte Tsoukas, startete und gab Gas. Der Streifenwagen folgte ihnen mehr schlecht als recht.
    Die hohen Säulen hinter den Olivenbäumen waren schon von weitem zu sehen, und als der Vectra knirschend auf dem feinen Kies des Parkplatzes zum Stehen kam, stellte sich Schneider vor, wie imposant der damals noch direkt am Meer gelegene Tempel vor zweitausendfünfhundert Jahren gewirkt haben musste. Er war wenigstens achtzig Meter lang und bestimmt um die fünfzehn Meter hoch gewesen, wenn man auf die Säulen noch das Kapitell darauf rechnete. Von der früher gewiss gleißend weißen Marmorverkleidung war nur noch das pure graue Gestein übrig, und so erinnerte der Tempel Schneider eher an Stonehenge. Das Areal war von einem simplen Bauzaun umschlossen, und der etwas verwilderte Eindruck erschien ihm typisch für den lockeren südländischen Umgang mit Zeugnissen

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