Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
Pentagon ans Bein pinkeln zu wollen? Ganz ehrlich: Ich will es lieber nicht wissen. Ich mache meinen Job – um alles andere sollen sich die kümmern, die dafür zuständig sind.«
»Tja«, Schneider vergrub die Hände in den Hosentaschen, »das liegt jetzt alles in den Händen von Leuten, mit denen ich auch lieber nichts zu tun haben möchte, da hat Mario schon ganz recht.«
»Aber«, sagte Alex und schüttelte den Kopf, »das kann doch nicht angehen! Was da alles passiert ist. Es … Es muss doch schonungslos aufgeklärt werden, man kann doch nicht einfach mit Menschen solche Dinge …«
»Ich bin mir sicher«, sagte Kowarsch und seufzte, »dass wir gerade mal die Spitze eines Eisbergs zu sehen bekommen haben.«
»Und du kannst drauf wetten«, fügte Schneider hinzu, »dass die Karawane aus Glücksberg weitergezogen ist, nachdem ein Vögelchen das Kommando zum Aufbruch gesungen hat. Die treiben ihre Forschungen irgendwo anders weiter. So isses, und so war es schon immer.«
»Trotzdem.« Alex rang nach Worten. »Das muss dann doch – was weiß ich – an die Medien gehen, oder …«
»Alexandra Gräfin von Stietencron«, sagte Schneider, zog eine Hand aus der Hosentasche und hob belehrend den Zeigefinger, »weißt du, was meine Oma immer gesagt hat? Schuster, bleib bei deinem Leisten, hat sie gesagt – und mein Opa, der Lateiner war, pflegte zu erwähnen: Hic Rhodus, hic salta. Hier ist Rhodos, hier springe. Und beides heißt so viel wie: Schieß nicht übers Ziel hinaus und rede dummes Zeug, sondern kümmere dich um deine Angelegenheiten, denn dafür bist du da. Der Fall liegt in den Händen von Profis – und gut ist’s.«
Alex wollte etwas entgegnen, schluckte die Worte jedoch hinunter. Sie spürte ein heißes Brennen im Bein. Die Wirkung der Schmerzmittel ließ nach. Irgendwann würde die Verletzung des Oberschenkels verheilen und eine Narbe hinterlassen, aber wie hatte Marcus gesagt? Einige Wunden klaffen für immer – und diese würde Alex stets daran erinnern, dass die Bestien manchmal dort lauerten, wo man sie am allerwenigsten vermutete.
»Was ist mit Marcus, ich meine …«
»Wir sind immer noch alle geschockt«, fiel ihr Mario ins Wort und blickte aus dem Fenster. »Man hat seine Leiche verbrannt und in aller Stille beigesetzt. Niemand von den Kollegen ist hingegangen. Wir haben auch keinen Kranz geschickt. Aber wir haben uns darum gekümmert, dass er neben seiner Frau beerdigt wurde. Wenigstens das …« Er rang nach Worten. »Na ja, du weißt schon. Das waren wir ihm trotz allem schuldig.«
»Er hat alles nur aus Liebe getan«, sagte Alex leise. »Könnt ihr euch das vorstellen? Was muss in diesem Mann vorgegangen sein?«
»Liebe?«, blaffte Schneider und hob die Augenbrauen. »Er hat acht Menschen zum Teil bestialisch getötet, und er wollte auch dich und Kraft umbringen – ich halte das nicht für besonders zärtlich.«
Alex nickte und seufzte. »Nein, das ist es wohl nicht.«
»Mit den Morden hatte das C- 12 übrigens nur ganz am Rande zu tun«, fuhr Schneider fort. »Marcus hat natürlich gewusst, dass Marlon das Zeug schluckt. Es kam ihm zupass, das Sandra Lukoschik Kraft beim Sex den Rücken zerkratzt hat und in dem Blut unter ihren Fingernägeln C- 12 -Spuren entdeckt wurden. Das lenkte den Tatverdacht automatisch auf Kraft. Außerdem wurde damit suggeriert, dass Kraft unter Einfluss von dem Zeug womöglich völlig außer Rand und Band geraten ist. Konnte ja kein Mensch ahnen, was wirklich alles dahintersteckt.«
Alex versuchte, sich im Bett etwas zu strecken. »Ich frage mich nur«, sagte sie angestrengt, »warum Ludger Siemer getötet worden ist.«
Schneider und Mario tauschten einen kurzen Blick. »Wir nehmen an«, ergriff Mario das Wort, »dass Siemer Marcus’ Plan im Wege stand. Der Knabe wäre ein heißer Kandidat für uns gewesen, Alex, wenn wir deine Theorie verfolgt hätten: Ein durchgedrehter Siemer, der Rache an Kraft nehmen will. Das hätte die Ermittlungen gegen Marlon ausgebremst und Marcus’ Plan torpediert. Außerdem wäre eine andere Polizeibehörde und möglicherweise das LKA ins Spiel gebracht worden. Marcus hatte es aber von Anfang an darauf angelegt, die Schwächen unseres Systems für sich zu nutzen: die Zeitnot, die gelegentliche Schwerfälligkeit, wechselnde Zuständigkeiten, Bürokratismus. Und außerdem«, Mario schnalzte mit der Zunge, »ist Kraft zwischendurch in Düsseldorf gewesen, was ihn bezüglich des Mordes an Siemer weiter
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