Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
Töpfen. Die Spurensicherung, die Gerichtsmedizin – alle kommen erst zu dir, wenn sie eines haben: Ergebnisse«, sagte Alex und betonte das letzte Wort. »Aber sobald ich mal ein paar Worte wechsle, verlangst du von mir bereits Rechenschaft und willst Einschätzungen von mir über Täterprofile aus dem Stegreif, die ich einfach so nicht leisten kann. Mein Gott, ein durchschnittlicher Serientäter ist dreieinhalb Jahre aktiv, bis er gefasst wird, und du willst von mir innerhalb von zwei Tagen Profile haben …«
»Weil unser Mann innerhalb kürzester Zeit die Leute abschlachtet und weil mir die halbe Stadt im Nacken sitzt und Ergebnisse will. Die Leute haben keine Ahnung, Alex, das ist der CSI -Effekt: Die gucken diese Fernsehserien und denken, DNA -Profile lassen sich innerhalb von zehn Minuten erstellen und Gutachten kommen an einem Vormittag zustande. Die wollen Ergebnisse, scheißegal, welche. Ich werde jetzt das Ermittlerteam aufstocken und die Streifen vervierfachen lassen, bloß damit alle Welt das Gefühl hat, es passiert etwas. Diese Stadt hat Angst, Alex!«
Alex verschränkte die Arme vor der Brust und schob die Unterlippe vor. »Aber es ändert nichts daran, dass wir stehen, wo wir stehen.«
»Na gut«, seufzte Marcus und massierte sich den Nasenrücken. »Du hast recht. Du bist neu dabei und sehr motiviert. Vielleicht überbewerte ich das eine und unterschätze das andere. Sieh es mir nach. Alles, was ich sagen wollte, ist: Ich stehe unter sehr großem Erfolgsdruck …«
»Das tue ich auch.«
»Es prasselt von allen Seiten auf mich ein. Und dazu stecke ich in der äußerst unangenehmen Situation, dass ich unter Umständen Marlon Kraft vernehmen muss. Ich meine, er ist manchmal ein echtes Arschloch, und wir haben wegen der ganzen Sache derzeit ziemliche Spannungen, aber trotzdem läuft es darauf hinaus, dass ich meinen besten Freund zur Vernehmung bitten muss, wenn die Sache mit König sich als Irrläufer herausstellen sollte.«
»Du hast Marlon doch bereits im Visier. Du wolltest über die
Neue Westfalenpost
sein Alibi überprüfen. Du rufst ihn nicht einmal mehr selbst an.«
Marcus lächelte mitleidig. »Das hat er dir also schon erzählt, soso. Und was meinst du, warum er dir das erzählt hat? Weil er dich vereinnahmen will. Noch einmal: Sei vorsichtig mit Marlon. Der ist mit allen Wassern gewaschen.«
»Keine Bange, Marcus, das bin ich auch.«
»Okay. Dann beweis es mir und gib mir bei der nächsten Besprechung etwas Greifbares. So wie alle anderen, Alex, so wie du es willst: Bring mir etwas Handfestes. Und fang am besten gleich mit den Obduktionsergebnissen an und fahr rüber ins Krankenhaus. Du hast doch Medizin studiert, Frau Doktor, oder?«
Alex verzog die Mundwinkel. Dann drehte sie sich ruckartig um und ließ Marcus auf dem Treppenabsatz stehen.
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27 .
J uliane Franck. Single. Sechsundzwanzig Jahre alt. Kinderlos. Attraktiv. Studentin, Aushilfe bei Promotionsständen in Einkaufszentren und Getränkemärkten, außerdem Aerobic-Trainerin im Fitnesscenter. Reineking würde sich als Erstes das
Löschdepot
vornehmen, denn es lag schließlich direkt gegenüber der Fachhochschule, in der Roman König tätig war. Er fuhr auf den Parkplatz des Getränkemarkts und parkte ein. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, nahm er die Ray Ban ab – ein klassisches Fünfziger-Jahre-Modell –, zog sich das Pflaster vom Nasenrücken und betrachtete die Wunde im Rückspiegel, auf der sich inzwischen eine Kruste gebildet hatte.
»Hast Glück gehabt, dass du dir die Wurzel nicht gebrochen hast«, murmelte Kowarsch, der neben ihm saß.
Reineking nickte und strich sich die nach hinten gegelten Haare glatt. Es machte ihm nichts aus, dass diese Frisur seine Geheimratsecken besonders zur Geltung brachte. Nicolas Cage schämte sich auch nicht dafür, und es war besser, zu seinen Makeln zu stehen, als sie verstecken zu wollen – wodurch sie meist erst richtig auffielen.
»Na denn.« Kowarsch legte die rote Kladde mit den Fotokopien über Juliane Franck in den Fußraum und schnallte sich ab.
Reineking knibbelte an der Kruste, verspürte einen kurzen Schmerz und ließ es bleiben. Er setzte die Sonnenbrille wieder auf und bog den Rückspiegel in seine vorherige Position. »Mir ist es ein Rätsel, wie der Kerl sie in den Keller geschafft hat, ohne dass jemand etwas davon mitgekriegt hat.«
»Gibt’s denn schon was Näheres?«
Reineking zuckte mit den Achseln. »Er muss sie zum
Buffalo
gekarrt und
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