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Alfons die Weihnachtsgans

Alfons die Weihnachtsgans

Titel: Alfons die Weihnachtsgans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Koester-Loesche
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und stopfte eine Kante in ganzer Länge unter seinen Großvater. Es gelang ihm schließlich, ihn draufzuwälzen und in den Rest einzuhüllen. Mehr denn je sah er ein, wie zweckmäßig die warme Kleidung und der Schlafsack gewesen waren. Cool war etwas anderes. Was als cool galt, taugte nicht gegen Lorenunfälle, Schiffsunglücke und so weiter. Er würde nie wieder dagegen protestieren.
    »Er wird Angst bekommen haben«, mutmaßte Fedder mild. »Panik. Das Watt kann Leuten Angst machen, die es nicht kennen. Vor allem bei Nacht.«
    »Du meinst nicht Angst, sondern Schiss. Um sich selbst. Er ist ein Feigling. Mit oder ohne Watt würde er andere in Stich lassen«, entschied Tore kompromisslos. »Paps würde das nie machen. Du auch nicht.«
    »Na, ja«, murmelte Fedder und versuchte nicht mehr, seinen Enkel zu belehren.
    Tore merkte es. Obwohl er durchfroren war, fühlte er sich nicht so mutlos wie noch vor kurzem. Er trug die Verantwortung für den Opa. »Ich mache jetzt Feuer.«
    »Sei aber vorsichtig. Und du musst aufpassen, wenn du das Streichholz in den öligen Haufen wirfst, damit ...«
    »Ich weiß, Opa«, unterbrach Tore ihn. »Ich stelle mich in Luv, so dass die Flammen mir nichts anhaben können.«
    »Ich dachte immer, alle, die auf dem Festland wohnen, hätten nicht sehr viel Verstand«, stöhnte Fedder, aber Tore hörte dennoch ein Lächeln in seiner Stimme.
    »Und das hat sich jetzt geändert?«, fragte er, während er begann, die herumliegenden Holzlatten zusammenzuklauben.
    »Wesentlich. Aber du bist ja auch mein Enkel. Und auf See erfahren. Besser kann man für das Leben gar nicht gerüstet sein.«
    Fast ein wenig stolz, trug Tore das Holz auf die Schienen, suchte sich eine vertiefte Kuhle zwischen den Schwellen und schichtete abwechselnd Latten und ölgetränkte Lappen aufeinander. Die windabgewandte Schwelle schützte er mit Schotter, damit er sie nicht aus Versehen abfackelte. Wahrscheinlich war die Gefahr ohnehin nicht groß, denn natürlich war sie durch und durch nass.
    Ein paar Minuten später brannte das Feuer. Es hatte nur einen Nachteil: Es war aus Mangel an Brennmaterial so niedrig, dass man es hauptsächlich als Lagerfeuer zum Würstchenbraten hätte benutzen können.
    »Das hast du gut gemacht«, sagte Fedder schläfrig.
    Tore sah zu ihm hinüber. »Ein Signalfeuer ist es nicht, Opa. Ich fürchte, sie werden es auf der Hallig nicht einmal bemerken, wenn der Nebel sich ganz auflöst. Aber ich kann ja nicht deine Lore zerlegen. Oder hast du irgendwo ein Beil?«
    Fedder antwortete nicht. Er war jetzt tatsächlich eingeschlafen.
    Das brachte Tore auf eine Idee. Dem Opa hatte er versprochen, nicht zur Hallig zu wandern. Vom Watt war nicht die Rede gewesen. Und Meiers Fußspuren führten ins Watt, keineswegs auf die Schienen. Einen Gast, der nur Nudeln kannte, noch nie im Watt gewesen und jetzt in Panik geraten war, musste man als ortskundiger Kenner natürlich zurückholen. Und wenn er noch so fies war.
    Obendrein würde er selbst dank des Feuers leicht zurückfinden. Es war besser als jede Taschenlampe.
    Tore stapfte neben Meiers Spuren einher, und ihnen zu folgen bedeutete offensichtlich, geradewegs auf die Insel Föhr Kurs zu nehmen. Seitdem der Nebel sich gehoben hatte, konnte man die Lichter von Wyk erkennen. Womöglich hatte Meier sie mit Warfen auf der Hallig verwechselt. Er würde ins auflaufende Wasser hineinmarschieren und dann um sein Leben schwimmen müssen. Aber das schaffte man nicht!
    Tore versuchte, einen Schritt zuzulegen, was nicht einfach war. Der Schlick klebte ihm an den Stiefeln und ließ ihn stolpern. Er fiel an genau der Stelle, an der auch Meier gelegen haben musste und einen körpergroßen Abdruck hinterlassen hatte.
    Er drehte sich um. Das Feuer war zu sehen. »Herr Meier!«, brüllte er und lupfte eine Ohrenklappe, um auch die leiseste Antwort noch mitzubekommen. Aber er hörte nur den Wind und die Geräusche von Enten, die aufgeschreckt abhoben.
    Meiers Spuren waren zwar da, aber die Wasserpfützen nahmen zu und die Schilfinseln ab. Nicht mehr lange, und er würde aufgeben müssen.
    Das wäre der Tod von Meier. Und er selber trug die Verantwortung, stellvertretend für seinen Opa, der handlungsunfähig war. Tore beeilte sich weiter, stapfte vorwärts, kaummehr behindert durch den Wind, der mittlerweile seitwärts kam. Von West oder Südwest. Aus der Richtung, die zuerst Starkwind, dann Sturm bedeutete. Die Unterhaltung zwischen Opa und dem Oländer hatte er nicht

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