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Alfons die Weihnachtsgans

Alfons die Weihnachtsgans

Titel: Alfons die Weihnachtsgans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Koester-Loesche
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das Rundumlicht ausgeschaltet und die Plastikbänder eingerollt. Die Männer und Frauen standen wartend und schwatzend in einer Gruppe zusammen. Anke trat in ihre Mitte, das Tablett, auf dem die Schnapsgläschen und der Korn standen, in den Händen.
    Der Schnaps war willkommen. Er vertrieb nach allgemeiner Meinung die Kälte aus den Knochen. Die Stimmung war gut und wurde mit jedem Glas besser. Die Weißt-du-noch-Geschichten machten immer lauter die Runde.
    Anke kannte die meisten, aber es war schön, sie aufs Neue zu hören. Die Halligleute waren, ungeachtet der Zuzügler, die es selbstverständlich auch gab, eine verschworene Gemeinschaft.
    Sie selbst trank keinen Korn. Das verlangte auch niemand. In die Ferne blickend, überlegte sie, dass die Menschen auf der Hallig sehr tolerant waren. Und zusammenhielten. In allen Dingen. Erste Katholiken, wohl erst vor zehn Jahren zugewandert, gingen in den evangelischen Gottesdienst und machten bei allen kirchlichen Veranstaltungen und der Theatergruppe mit. Autos, die durch geistige Abwesenheit ihres Fahrers die Straße verließen und stattdessen ganz zufällig auf einen Damm von Fußgängerbreite gerieten, um die Weiterfahrt im Hafen zu erproben, zog man stillschweigend mit dem Traktor aus dem Wasser. Keine Meldung, keine Polizei. Hier regelte man die Dinge allein. Es war eine kleine Welt, die sich selbst genügte.
    Das kleine Flackerlicht erschien erneut in Ankes Blickfeld. Der Hubschrauber war längst außer Sicht. Und was sie sah, war weder eine Spiegelung im Wasser noch Einbildung. Entweder jemand briet auf den Schienen Würstchen, oder es war ein Signal. Ein Hilferuf!
    Anke war sich völlig sicher. Sie bahnte sich mit der leeren Flasche gerade den Weg zum Leiter der Feuerwehr, um ihn darauf aufmerksam zu machen, als sich von allen Seiten Warnrufe erhoben.
    »Achtung! Deckung! Beschuss vom Festland aus«, schrien einige Komiker und tauchten in den Graben neben der Straße.
    Alles Spinner, dachte Anke und blieb störrisch stehen. Halligen wurden nicht beschossen. Nicht einmal im Krieg. Terroristen gab es schon gar nicht.
    Ein weißes Etwas landete mit rauschenden Schwingen knapp neben dem Feuerwehrwagen, gab ein Geschnatter von sich, das sich empört anhörte, sank auf den Bauch und blieb liegen.
    Eine Gans. Eine frustrierte Gans. Anke betrachtete sie mit vorgerecktem Hals. Ungläubig. Eine Gans konnte doch nicht frustriert wie ein Mensch sein! Ein besonders schweres Tier. Zehn Kilo etwa? Das konnte hinkommen. »Alfons?«, rief sie in ihrem Schrecken aus.
    Alfons blickte sich ein wenig scheu um. Alle, Feuerwehrleute wie Zuschauer, standen wie gebannt und starrten ihn an. Niemand machte Miene, ihn einzufangen.
    Da erhob er sich schwerfällig und watschelte auf Anke zu. Ein flüchtiges Streicheln über den Kopf, für mehr war nicht Zeit, aber ihm genügte es. Ermattet sank er zu Ankes Füßen nieder.
    »Es muss der Lore etwas passiert sein«, rief sie, an niemanden Besonderen gerichtet. »Alfons sollte mit Fedder kommen. Und auf den Schienen brennt ein Feuer! Ein Signal oder so etwas.«
    Käte hatte ihr Handy schon herausgezogen und am Ohr. Alle beobachteten sie gespannt. »Nichts, er antwortet nicht«, meldete sie beklommen. »Da stimmt etwas nicht.«
    »Vielleicht kann er es unterwegs wegen des Motorgeräusches nicht hören?«, schlug jemand vor.
    Käte schüttelte den Kopf. »Aber fühlen. Es vibriert starkbeim Anruf. Rüttelt geradezu. Hat er extra so eingerichtet, weil der Bootsmotor noch lauter ist als der auf der Lore. Neue Batterien für die Taschenlampe vergisst er mitunter. Aber nie, sein Handy zu laden.«
    »Dann geht die Arbeit gleich weiter, Leute!«, rief Oke, der Leiter der Feuerwehr, mit Donnerstimme. »Wir fahren mit dem Wagen zum Lorendamm. Käte kommt mit uns! Anke, du organisierst heißen Tee, desgleichen warme Kleidung. Wie viele sind eigentlich an Bord?«
    »Fedder und Tore, unser Enkel – und ein Gast.«
    »Gut. Kleidung für drei, vier Leute, warme Decken und so weiter. Wer kann dich fahren, Anke?«
    »Krischan. Er ist schon unterwegs. Wir kommen mit Nommens Lore nach. Die steht bereits auf den Schienen.«
    »Also los!«, rief Oke und sah sich um. Zufrieden registrierte er, dass alle seine Leute mit einem Schlag wieder nüchtern geworden waren.
Kapitel 10
    D er Hubschrauber flog über sie hinweg Richtung Festland. Tore, der auf den Schienen kauerte, sah ihm nach. Er zitterte vor Anstrengung und Kälte, trotz des Feuerchens neben ihm, das fast

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