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Alfred - König der Angel-Sachsen

Titel: Alfred - König der Angel-Sachsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albrecht von Haller
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selbst hat mit Seide gestikt, sie arbeitet an einem Schleyer, den sie ihrer gütigen Besizerin, der schönen Alswithe, zugedacht hat. Das Reich der Seren ist der Siz der Künste, der Triumph des Akerbaues, und die Pflegemutter unzählbarer Einwohner: denn die übrige Erde ist eine sparsam mit einigen Hütten bestreute Einöde, wenn man sie gegen das glükselige Kathay hält. So habe ich von den Kaufleuten gehört, die in Indien serische Handelsleute gekant hatten, und dann mit den Waaren dieses fleißvollen Volkes durch Byzanz gekommen waren.«
    »Die Seren sind ohne alle Gleichheit das älteste der gesitteten Völker, sie hatten weise Gesezgeber, und erfindsame Künste, dieweil die Griechen vom Raube der Thiere, und von den freywilligen Eicheln lebten, die die Natur für die unthätigen Wilden wachsen ließ. Kathay ist der Siz der Ordnung, der Kaiser ist der Vater des ganzen Volkes, er beherrscht die vielen Millionen mit eben dem Ansehen, mit welchem ein Hausvater seine Kinder regiert, er genießt von ihnen eben die Liebe und eben den Gehorsam, den sie ihren Eltern leisten. Er ist die einzige Quelle aller Ehre, und unter ihm sind alle Unterthanen gleich schwere Münzen, deren Wehrt erst der kaiserliche Stempel erhöhet, und verschieden macht. Sie kennen keinen Adel: von dem Kaiser gehn die Befehle durch Stuffen von immer niedrigern Staatsbedienten biß zum gemeinen Landmann; und niemand ist, der den geringsten Aufhalt in ihrer Vollstrekung unternehmen dürfte. Niemand bringt in die Wiege erhabene Rechte mit, die ihn über die Gemeinen des Volkes erhöhen. Der einzige Adel besteht in den Enkeln eines Weisen, der vor sechszehn Jahrhunderten im Reiche der Seren die Tugend lehrte, eben zu der Zeit, in welcher Pythagoras die rohen Griechen in der Feldmeßkunst, und in der Kenntniß der Gottheit unterwies.«
    Alfred, der niemahls ein Volk gesehen hatte, wovon der Adel nicht den angesehensten Theil solte ausgemacht haben, fiel hier dem erzählenden Freunde in die Rede. »Ein solches Volk, sagte er eilfertig, muß feig seyn. Nur das zarte Gefühl der Ehre kan die Liebe zum Leben überwinden, und ein solches Gefühl kan nirgends so lebhaft herrschen als bey den Edlen, denen die geringste Schmach unerträglich, und das Leben zur Last wird, wenn sie es ohne Ehre zubringen sollen. Zudem ist der Edle von niedrigen Sorgen frey, seine Hände sind zum Schwerdt, sein Leib zum Reiten abgehärtet, die Jagd hat ihn zum Kriege zubereitet, der Sieg ist sein einziger Beruf, und der Zwek seines Lebens. Der dürftige Landmann vergißt die Ehre über der unentbehrlichen Bemühung für seinen Unterhalt; gewöhnet zu den Erniedrigungen fühlt er die erhabenen Triebe nicht, die ein Held fühlen muß: zu demühtigenden Arbeiten erzogen, kent er die Geschiklichkeit nicht, ein muhtiges Pferd gegen den Feind zu spornen, den gesenkten Speer in den diksten Haufen der Feinde zu dringen, die Wunden zu geben und zu vermeiden. Zu oft habe ich es erfahren, daß die Stärke meines Heeres in meinen Edeln ist.«
    Amund erwiederte. »Der belesene Alfred kent die Geschichte der Griechen; sie hatten keinen Adel: aber wer war herzhafter als ein Spartaner, der kaum seinen Vater zu nennen wußte, der ein Sohn des Vaterlandes, und kein Sohn eines Edeln war? Zu eng ist das Gefühl der Ehre in einen Stand eingesperrt, der niemahls zahlreich seyn kan, weil er müßig lebt, und vom Schweiße der Niedrigen seine Nahrung erwarten muß. Diejenige Staatsverfassung ist die weiseste, das Volk muß das siegreichste seyn, wo eben dieses Gefühl sich über das ganze Volk ausbreitet, wo jeder Bürger mit der Begierde nach dem Siege glühet, die einen Feldherrn beseelet. Nicht der Mangel des Adels macht die Seren furchtsam; es sind andere Ursachen dazu. Der fürchterliche Saracen ist ein Kamelhirt, aber wer ficht verzweifelter? wer hat mehr Siege erhalten? wer hat mehr Länder bezwungen, als der freye Durchstreiffer des sandichten Arabiens? Unter den Seren sind zu viele Handwerker und Krämer, und die Menge der Nation besteht mehrentheils aus Menschen, die in stillen Arbeiten den Gebrauch ihrer Glieder verlieren, die ihre Arme nicht durch mühsame Bestrebungen stärken, und keine Unbequemlichkeiten, keine rauhen Lüfte, keine angestrengte Nachtwachen ertragen gelernt haben. Eine andere Ursache zur Feigheit der Seren ist die knechtische Begegnung, die sie von ihren Vorgesezten erdulden. Das unermeßliche Reich wird durch die Peitsche regiert, der gröste Sere ist niederträchtigen

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