Alfred - König der Angel-Sachsen
Anschein einer Unbescheidenheit von dem Frauenzimmer der Normänner abgewandt, und die holde Begegnung, mit welcher er ihre Gefangennehmung erleichtert hatte. Als die Normänner Engelland verlassen, und sich verbunden hatten, die Sachsen nicht mehr zu beunruhigen, so kam Amund unerschroken an Alfreds Hof.
»Deiner Tugend hast du einen Kämpfer zu verdanken. Ich bin Amund, der Freund Hastings, aber der deine, wenn du ihn annimst.« Amunds Nahmen war nicht unbekant, er hatte die Sitten mit der Tapferkeit verbunden, und mit beyden die Weisheit. Alfred reichte ihm die königliche Hand; »Ich nehme deine Freundschaft an, sagte er zu dem Scandinavier, du solst mein Glük mit mir theilen.« Die Königin umarmte die schöne Theophane. Alfreds Hof wurde für beyde Vermählte ein Siz des beständigsten Vergnügens. Amund folgte dem Könige in seinen Kriegen, er bemühte sich am eyfrigsten, die feindlichen Waffen von seinem Fürsten abzuwenden, und bot seine Brust ihm zum Schilde an.
Nachdem endlich Alfred die äußern Feinde für immer vertrieben hatte, und nunmehr sich emsig beschäftigte, die Ordnung und die algemeine Glükseligkeit unter seinen Sachsen in Aufnahme zu bringen, so verfolgte Amund mit aufmerksamen Augen jeden Schritt des Gesezgebers; er verglich seine Anschläge, und die Verfassung des sächsischen Reiches mit der Monarchie von Byzanz, und mit demjenigen was er von den Römern und von den bessern Griechen gelesen hatte.
Ihm entgiengen die Fehler der sächsischen Staatsverfassung nicht, in welcher von der alten Freyheit der deutschen Völker fast nichts mehr übrig geblieben war, als ein mächtiger Adel, neben dem die Nation in der äußersten Verachtung schmachtete.
Lange hatte Amund seine Betrachtungen durch Nachfragen verbessert, lange hatte ihm das Herz gewallt, und ihn aufgefordert, einem Könige die Wahrheit zu sagen, der sie liebte und anhörte. Endlich brachte ihn die Untreue einiger Großen auf, die Alfred überwunden, aber wie er allemahl that, unbestaft gelassen hatte. Einsam hatte der nachdenkende König mit Amund sich auf ein königliches Landgut begeben, das unweit seines Königssizes lag. Sein gütiges Gemüth empfand mit einem tiefen Gefühl die Nothwendigkeit, worin er sich nun so oft versezt gesehen hatte, wider unruhige Große die Waffen zu ergreifen. »Ich liebe mein Volk, sagte der rechtschaffene Fürst, ich thue alles was meine Einsichten nur ausdenken können, Engelland glüklich zu machen. Wie kan es doch möglich seyn, daß seine Söhne mich nicht lieben, mich der sie über alles liebet?«
Amund beugte sich gegen seinen königlichen Freund; »Wil Alfred seinen Diener anhören der ihn liebet? will er ihm erlauben frey zu seyn, und seine Gedanken so vorzutragen, wie sie in seinem treuen Herzen entstanden sind? Die Sachsen sind nicht böser, als alle andere Völker: wenn sie undankbar sind, so ist die Quelle des Ubels in der unabgewogenen Verfassung des Staats. Wo kein Gleichgewicht ist, da sind diejenigen allemahl unzufrieden, deren Schale die leichteste ist. Deine Edlen sind zu groß, und nicht tief genug unter die Geseze geordnet: die Gemeinen sind zu klein; von den Edeln zu ihnen ist der Abstand zu groß. Die Grösten haben nur noch einen Schritt zu thun, Könige zu werden; sie werden niemahls ruhig seyn, biß dieser Schritt gethan ist. Wären deine gemeinen Sachsen bey ihrer natürlichen Größe geblieben, so hätten die Edeln an ihnen ein Gleichgewicht, das sie hindern würde, ihre Schwingen zu kühn in die Höhe zu richten.«
»Lange hat Amund die Welt gesehen, er hat entfernte Völker gekant, er weiß die Verfassung seines freyen Norden. Auch die Sachsen lebten in der Freyheit; aber deine Ahnen, die Eroberer Britanniens, haben die Leitseile der Regierung dem Adel hingegeben, und ihm die Gemeinen zum Opfer überlassen.«
Alfred, der den Rath treuer Freunde gern anhörte, erwiederte gegen Amund. »Mein Freund hat die Morgenländer gesehen, was hat er in denselben gefunden, woraus die Reichsverfassung der Sachsen gebessert werden könte?«
»Fern von uns, sagte der Kämpfer, im äussersten Morgen liegt ein mächtiges Reich, das gröste auf dem Erdboden, das Reich der Seren. Nord-China Aus demselben komt die Seide; sie wird bey der Quelle des Ganges vorbey durch die beschneyten Gebürge in Indien, und durch Persien nach Byzanz gebracht; und auf den Inseln des Aegäischen Meeres, im milden Cos, fängt man an dieses Gespinst zu erzielen, das gewisser Raupen Arbeit ist. Theophane
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