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Algebra der Nacht

Algebra der Nacht

Titel: Algebra der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Bayard
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Tag gelegt, um sich aus diesem Erdenleben zu entfernen, und dabei gründliche Arbeit geleistet.
    Gegen fünf waren die letzten forensischen Achtungsbezeugungen abgeschlossen, und Lily Pentzler konnte in einen Plastiksack verpackt werden. Als ihr untersetzter Körper auf die Rolltrage gehoben wurde, erschlaffte etwas in mir . Plötzlich wurde mir klar, dass ich Trauer empfand. Lily Pentzler hatte ihr Leben einem einzigen Mann geweiht, und so wurde es ihr entlohnt.
    Die Balkontür stand noch offen, und die Luft von draußen hatte zusammen mit der Klimaanlage der Wohnung eine Hochdruckfront aufgebaut. Aus dem Tresor drang das unrhythmische Fiepen von Alonzos Hygrothermograph, der sich gegen die permanenten Änderungen von Luftfeuchtigkeit und Temperatur verwahrte.
    »Mr. Cavendish.«
    Detective Acree winkte mich zu sich.
    »Sie sagten doch, Sie sind Mr. Wax' Nachlassverwalter.«
    »Richtig.«
    »Dann können Sie vielleicht meine Neugier befriedigen. War seine Sammlung versichert?«
    Ich blinzelte.
    »O ja, allerdings.«
    »Und wer ist der Begünstigte?«
    Zwei Tage zuvor hätte ich ihm das nicht sagen können. Aber nachdem ich stundenlang im Ozean von Alonzos Papieren gefischt hatte, kannte ich die Antwort.
    »Ich«, sagte ich. »Ich bin der Begünstigte.«
    Genau wie ich erwartet hatte, schürzte er die Lippen. Nicht erwartet hatte ich die Worte, die er mit leicht erhobener Stimme an mich richtete:
    »Pech für Sie.«

 

    8
    A m nächsten Morgen wachte ich schweißgebadet davon auf, dass mein Handy in den Tiefen meiner Hosentasche klingelte. Ich suchte eine Weile danach, ehe ich merkte, dass es noch in meiner Hosentasche steckte.
    »Mr. Cavendish!«, sagte Bernard Styles. »Soeben haben wir aus den Nachrichten von Miss Pentzlers Tod erfahren. Wie traurig!«
    Der Nebel in meinem Kopf war mit einem Schlag verflogen. Denn ich sah nicht Styles vor mir, sondern seinen schweigsamen Sendboten Halldor. Wie er unten in der großen Halle der Union Station stand und zu mir und Lily heraufstarrte.
    »Ja«, sagte ich. »Sehr traurig.«
    »Ich habe sie recht gut gekannt, müssen Sie wissen. Verdammt kluges Köpfchen. Ich habe Alonzo immer für einen Glückspilz gehalten, weil er sie hatte.«
    »Komisch«, sagte ich. »Sie wissen, wo ich gestern war, aber vielleicht könnten Sie mir sagen, wo Sie waren.«
    Meine Frage hatte sich beiläufig anhören sollen, aber meine Stimme verriet mich, denn Styles stutzte einen Moment.
    »Nun, wie gesagt, wollten wir eigentlich Mount Vernon unsicher machen, aber dann war es uns doch zu heiß für so eine Spritztour. Stattdessen haben wir das Museum of Crime and Punishment besucht.«
    »Verstehe.«
    »Es ist wirklich schrecklich interessant. Ah, aber noch etwas, uns ist zu Ohren gekommen, Alonzos Bücher seien gestohlen
worden. Ein unglaublicher Skandal! Aber macht nichts, solche Dinge tauchen früher oder spät immer wieder irgendwo auf.«
    »Cornelius Snowden könnte da anderer Meinung sein.«
    »Wer?«
    »Ein alter Freund von Ihnen. Er hatte Stows Annales bei sich, als er starb. Und das Buch ist meines Wissens niemals wieder irgendwo aufgetaucht.«
    Ich wartete ein paar Sekunden, bevor ich hinzufügte:
    »Snowden war Alonzo nicht unähnlich. Er besaß etwas, das Sie haben wollten.«
    »Sie müssen mir verzeihen, aber ich verstehe nicht, was Cornelius Snowden hier für eine Rolle spielen sollte. Was Alonzo betrifft, so war der in seinem Besitz befindliche Gegenstand nicht sein Eigentum, wie ich Ihnen schon deutlich gemacht zu haben glaubte. Ich habe Sie beauftragt, Mr. Cavendish, ein Dokument wiederzubeschaffen, das rechtmäßig mir gehört.«
    »Und wenn mir das nicht gelingt?«
    »Wenn Sie sich dieser Aufgabe nicht gewachsen fühlen, brauchen Sie mir nur meinen Scheck zurückzugeben, und schon ist die Angelegenheit erledigt. Sie …« Er senkte die Stimme. »Sie haben den Scheck doch nicht etwa schon eingelöst , Mr. Cavendish?«
    Ich presste die Augen zu. »Selbstverständlich habe ich das.«
    »Oh«, sagte er. »Ojemine.«
    »Hören Sie, mir liegt daran, dass wir offen miteinander sprechen, okay? Wenn hier irgendwas faul ist – zwischen Ihnen und Alonzo oder zwischen Ihnen und irgendwem , muss ich das wissen.«
    »Mr. Cavendish, ich versichere Ihnen, ich habe nichts zu verbergen. Wie steht es mit Ihnen?«
    Zehn Minuten später rief Clarissa an.
    »Wo sind Sie?«, fragte ich.
    »Vor Ihrem Haus.«
    Ich ging zum Fenster. Ein Knäuel schwarzer Haare, seltsam entschlossen im Mittagslicht. Ich

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