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Algebra der Nacht

Algebra der Nacht

Titel: Algebra der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Bayard
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einen Teil der Welt, bekannt dafür, dass er große Schiffe verschlingt. Wir haben die Gelegenheit – ein junger Engländer, der unbegleitet just diesen Teil der Welt durchstreift. Wir haben Zeugnisse – die Schilderungen Einheimischer, eine verschlüsselte Botschrift von Harriots eigener Hand. Gewalt'ge Lager Gold. Von unvergleichlich Wert. «
    Alonzo faltete die Hände, stützte die Ellenbogen auf den Tisch.
    »Meine Damen und Herren, ich würde es zwar nicht unbedingt einen Dunk nennen, aber, Sie verzeihen, dass ich die Metapher etwas strapaziere, ein lässiger Korbleger ist es schon.«
    An der Stelle sollten wir nun eigentlich Beifall klatschen, aber meine Hände rührten sich nicht vom Fleck.
    »Ach, komm schon, Henry«, sagte er. »Gibt es irgendjemanden auf der Welt, der mehr über Harriot weiß als du? Gibt es jemanden, der Harriots Logik besser entschlüsseln könnte? Du bist der Auserwählte.«
    »Auserwählt wozu?«, fragte ich. Und sah ihn nun unverwandt an. »Was genau willst du von uns, Alonzo?«
    »Was ich will? Ich will, dass ihr alle mir helft, Harriots Schatz zu finden. Und ich will, dass wir jetzt anfangen. Noch in diesem Moment.«

 

    18
    » U nd was, wenn es keinen Schatz zu finden gibt?«, sagte ich.
    »Dann finden wir keinen.«
    »Aber was, wenn doch ?«, fragte Clarissa.
    »Sie meinen, wie wir ihn aufteilen? Nun, da das Vorhaben mein geistiges Produkt ist, würde ich billigerweise einen geringfügig höheren Anteil am Gewinn beanspruchen. Aber da ich gerade überwältigt bin vom Geist des großen Ereignisses, bin ich bereit, auf meine Eigentumsrechte zu verzichten.«
    »Soll heißen?«
    »Wir teilen durch vier.«
    »Und wenn alles vorbei ist«, sagte Clarissa mit finsterem Blick, »rasieren Sie sich diesen scheußlichen Bart ab, versprochen?«
    »Erste Amtshandlung. Und ich kehre auf kürzestem Wege in die Zivilisation zurück. Mit der überzeugendsten Schilderung eines plötzlichen Gedächtnisverlusts, die Sie je gehört haben.«
    »Und Bernard Styles erhält sein Dokument zurück?«
    »Von mir aus.«
    Alonzo hielt inne und wartete. Fragte mit leiser und bemüht unaufgeregter Stimme: »Sind wir alle im Boot?«
    Sekunden verstrichen, bis ich merkte, dass aller Augen auf mich gerichtet waren.
    »Du willst uns also weismachen, dass du Gold finden wirst«, sagte ich. »Wo bisher kein Mensch welches gefunden hat.«
    »Ich habe die Absicht, es zu versuchen. Ich habe die Absicht, Geschichte zu schreiben. Wie steht's mit dir?«
    Ich vernahm das dumpfe Geräusch rollender Billardkugeln, das Klacken eines Flipperautomaten, Kid Rocks Gesang und als Hintergrundgeräusch zu all dem der Basso continuo von Alonzo Wax.
    »Henry«, sagte er. »Entscheide dich doch einmal in deinem Leben nicht fürs Mittelmaß.«
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich den Schlag abgefangen hatte. Mit großem Bedacht erhob ich mich vom Tisch.
    »Du kannst mich mal.«
     
    Ich nahm an, ich würde den Abend für mich haben, aber mit mir am Bordstein stand eine junge Rothaarige und zog zornig an einer filterlosen Zigarette. Klein, aber gut verpackt in einen gewickelten Jeansrock, bei dem ich mir lebhaft vorstellen konnte, wie ich ihn abwickelte. Schweigend standen wir da, zwei Schritt voneinander entfernt, und schwankten leicht im Wind.
    »Die stinken, was?«, sagte sie.
    »Ein bisschen schon«, räumte ich ein.
    Ich hätte noch mehr gesagt, aber mein Handy ging los. Ich spielte mit dem Gedanken, nicht ranzugehen, aber dann sah ich das bekannte »Unbekannt«, und der Gedanke, dass Alonzo seinen dicken Hintern nicht mal hochbekam, um mir zu folgen, versetzte mich so in Rage, dass ich mir die Anrede ersparte.
    » Was ?«
    »Sie sind ein ungehobelter Kerl«, sagte Bernard Styles.
    »Bitte?«
    »Verlassen die Stadt, ohne uns Bescheid zu geben.«
    »Oh, ja. Entschuldigung. Eine dringende Familienangelegenheit …«
    »Wo ich so neugierig bin zu erfahren, wie Sie vorankommen.«
    »Es gibt bedeutende Fortschritte.«
    »Ich nehme an, Sie sind derjenige, der die Fortschritte macht.«
    »Ja.«
    »Bei diesen unpersönlichen Satzkonstruktionen weiß man ja nie. Also dann, für mich ist es Zeit für die Heia. Halldor und ich wollen uns morgen das Flugzeug der Brüder Wright ansehen.«
    »Ihr Flugzeug ?« Mein Gehirn streikte für einen Moment. »Wo genau kann man das denn besichtigen?«
    »Oh, im National Air and Space Museum natürlich. Auf der National Mall.« Lange Pause. »Was glaubten Sie denn, was ich meinte, Mr. Cavendish?«
    »Ich

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