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Algebra der Nacht

Algebra der Nacht

Titel: Algebra der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Bayard
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Gänsehaut.
    »Du trauerst auf deine eigene Art, hm, Alonzo?«
    »Es tut mir sehr leid, aber im Moment ist Trauern Luxus.«
    » Ich geh anrufen«, sagte Clarissa. »Alonzo können wir raushalten.«
    »Oh, und wie bitte soll das gehen?«, herrschte er sie an und fuhr zu ihr herum. »Amory war schließlich mein Freund. Ihr seid meinetwegen hergekommen, oder etwa nicht?«
    »Wir können ihn doch nicht hier liegenlassen «, sagte ich.
    Dazu sagte Alonzo nichts – oder vielmehr: sein Schweigen sagte alles. Zweierlei wurde in dem Moment glasklar. Amory hier liegenzulassen war möglich. Und es war genau das, was Alonzo zu tun gedachte.
    Denselben Schluss hatte Clarissa wohl auch gerade gezogen, denn ich sah sie erbleichen und ihre Pupillen dunkler werden.
    »Das geht nicht . Wir können ihn nicht einfach hier liegenlassen!«
    »Hab ich etwas von für immer gesagt?«
    »Oh, mein Gott.«
    »Haben Sie mich für immer sagen hören?«
    »Er war Ihr Freund.«
    »Nur zwei lausige Tage!«, schrie Alonzo.
    Er erschrak über seine Heftigkeit selbst so sehr, dass er verstummte. Er schlug die Augen nieder und fügte in besänftigenderem Ton hinzu:
    »Achtundvierzig Stunden. Mehr will ich gar nicht. Damit wir diese Nuss knacken können.«
    Clarissa öffnete den Mund, aber er hob schon abwehrend die Hand.
    »Mir scheint, wir haben genau zwei Möglichkeiten. Wir bringen zu Ende, was wir angefangen haben, oder es wird für uns zu Ende gebracht. Fragt Amory.«
    Seine Stimme klang aufgeregt, er nickte in Richtung des Toten.
    »Falls es euch nichts ausmacht, möchte ich mir meine letzte Ruhestätte selbst aussuchen und das nicht Bernard Styles überlassen.«
    »Alonzo«, sagte ich. »Falls du recht hast damit, wer das getan hat –«
    » Falls ich recht habe.«
    »Lassen wir, unter anderem, einen Mörder hier am Strand frei herumlaufen.«
    »Geht's auch ohne Schmierentheater? Die Gruppe potentieller Opfer ist doch beunruhigend klein. Im Grunde hast du sie komplett im Blick. Sollen wir uns die Fakten mal ansehen? Amory Swale wurde ermordet. Warum? Wegen Harriots Karte natürlich. Wenn Amory gewusst hätte, wo sie ist, hätte er sie im Nullkommanichts herausgerückt. Glaub mir, er hätte es sofort verraten. Er hätte mich verraten, wenn ich da gewesen wäre.«
    Aber Alonzo war ja nicht da gewesen, dachte ich. Er hatte in meinem Hotelzimmer campiert und sich fast bis zur Erblindung betrunken. Schwache Nerven, so hatte er es diagnostiziert. Heute sah es eher nach Vorhersehung aus.
    »Okay«, sagte ich. »Wenn Amory nichts wusste, warum haben sie ihn dann getötet?«
    »Amorys Tod ist eine Botschaft, nichts weniger.«
    »Die worin genau besteht?«, fragte ich. »Übersetz mal.«
    Alonzo ließ ein paar Sekunden verstreichen.
    »Er wollte uns wissen lassen, dass er im Bilde ist.«
    »Worüber?«
    »Über alles, was wir vorhaben. Styles weiß von Harriots Schatz und er will ihn haben – genau wie wir. Und er ist bereit, dafür sehr weit zu gehen. Glaub mir, Amory hätte es keine fünf Minuten ausgehalten, ohne uns zu verraten.«
    Wie zur Bestätigung begann mein Handy zu läuten.
    Unbekannt.
    Ich klappte den Deckel hoch.
    »Mr. Cavendish!«, ertönte die bekannte Stimme. »Ich fürchte, ich entwickle mich zu einer Nervensäge, aber ich bin doch neugierig zu hören, welche Fortschritte Sie gemacht haben.«
    Ich starrte auf den bleichen Torso, der vor meinen Augen begonnen hatte, zu zerfallen.
    »Können wir zuerst über Amory Swale sprechen?«
    » Swale «, sagte Bernard Styles. »Ich glaube nicht, dass ich das Vergnügen hatte.«
    »Ach, wissen Sie, ich glaube doch.«
    »Nun, dann müssen Sie meiner Erinnerung auf die Sprünge helfen. Wer genau ist das?«
    Ich wollte warten, bis der Druck in meinem Schädel nachließ. Was aber nicht passierte.
    »Ich habe heute Morgen Halldor gesehen«, sagte ich.
    »Das war doch bestimmt eine nette Überraschung. Er hält große Stücke auf frische Seeluft, und man hat uns gesagt, die Strände in North Carolina seien viel hübscher als die in Delaware.«
    »Es war also reiner Zufall, dass er hier aufgetaucht ist.«
    »Natürlich, ja. Sie haben uns schließlich nicht mitgeteilt, wo Sie sich aufhalten, Mr. Cavendish. Oder bei wem.«
    »Ich weiß, was Sie vorhaben«, sagte ich.
    »Dann sind wir schon zu zweit, Mr. Cavendish. Wie dem auch sei, ich setze nach wie vor größtes Vertrauen in Ihre Fähigkeiten und hoffe weiterhin, dass wir unser Geschäft mit dem besten Ergebnis zu Ende bringen können.«
    Und dann

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