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Algebra der Nacht

Algebra der Nacht

Titel: Algebra der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Bayard
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sagte Alonzo ungeduldig nickend. »Aber hierin liegt der Unterschied, Henry. Das waren Narren, und Harriot war keiner. Und, vielleicht hast du das ja vergessen: Bacon hat seine Verschlüsselungsmethode erst 1623 veröffentlicht, zwei Jahre nach Harriots Tod.«
    »Vielleicht hast du ja vergessen, dass Bacon seine berühmtesten Schlüssel entwickelte, als er in Paris war und für den englischen Botschafter arbeitete. Irgendwann zwischen 1576 und 1579.«
    »Und wie stehen die Chancen, dass er mit Harriot darüber gesprochen hat?«, fragte Clarissa.
    »Tja, an dem Punkt bin ich nicht weitergekommen. Ich denke, sie müssen sich gekannt haben. Dass einer vom anderen wusste , steht außer Frage. Sie waren ja fast aufs Jahr genau gleichaltrig. Und Bacon erwähnt Harriot in seinem Commentarius Solutus . Das Dumme war, dass sie zu rivalisierenden Lagern gehörten. Bacon stand auf Seiten des Earl of Essex, Harriot stand bei Ralegh. Erst als Essex seinen halbgewalkten Staatsstreich gegen Elisabeth anzettelte, merkte Bacon, woher der Wind wehte und sprang ab. Ich würde meinen, es spricht mehr dafür als dagegen, dass die beiden berühmten englischen Intellektuellen sich irgendwann zu Lebzeiten getroffen und gefachsimpelt haben. Und welches Thema wäre passender gewesen als die Kryptologie? Harriot war als Chiffrenschmied ja auch keine Niete.«
    »Und was genau ist nun Bacons Methode?«, fragte Clarissa.
    »Erinnerst du dich, als ich dir sagte, du sollst die Buchstaben wie binäre Zeichen behandeln? Ich wusste selbst nicht, wie genial ich da war – ich meine, ernsthaft, ich bin ein Genie, denn Bacons Code war eines der ersten großen Binärsysteme der Zivilisation. Er hat jeden Buchstaben einer Klarschrift durch eine Kombination von A und B ersetzt. A war bei ihm AAAAA , B war AAAAB , C war AAABA und so weiter. Bis zu Z  … BABBB .«
    Clarissas Augenbrauen zogen sich zusammen.
    »Ich verstehe«, sagte sie. »Das lässt sich nicht so leicht knacken wie die Substitutions-Chiffren, weil man die am häufigsten vorkommenden Buchstaben nicht auslassen kann. Die ganzen e 's und t 's und a 's – alle mit dabei. Zeichenfrequenzanalyse bringt einen
da nicht weiter, weil jeder Text ungefähr dieselbe Anzahl von A's und B's enthält.«
    »Macht mal halblang«, sagte Alonzo. »Bacon hat seinen Code vor über vierhundert Jahren entwickelt. Wollt ihr mir sagen, ein modernes Entschlüsselungsprogramm könnte den nicht knacken?«
    »Nicht unbedingt«, sagte ich. »Es ist keine echte Chiffre, weißt du. Rein technisch gesehen – okay, tut mir leid, aber das muss sein –, handelt es sich um Steganographie . Nach dem griechischen stegein , verdecken. Es ist eine Methode, kodiert zu schreiben, ohne Dritte merken zu lassen, dass man kodiert schreibt. Der Schlüssel ist in einen ganz normal aussehenden Text integriert.«
    »Sicherheit durch Unverständlichkeit«, sagte Clarissa. »Nur Sender und Empfänger wissen, worum es geht.«
    »Ganz genau.«
    »Warte mal. Die Legende auf Harriots Karte … das ist kein normaler Text. Ruf sie doch mal auf, Henry.«
     
    PsjAYStrooxeidDVega LOkuxTmLikcyCUsSxGAzyrnrmu OrrLBAkchrltRdgarnoom ONOssfrtvQhiHeRbdall ZolgeanitzPeFpfhlogion LlLqaBwnbAdauncsleck QooTiatGlgKIkiWfleat HEstRqiabaOtz KCdMCpnfeffkuv
     
    »Wer das sieht«, sagte Clarissa, »wird es aber nicht als Brief an Mama missverstehen. Es liegt auf der Hand, dass das ein Code ist.«
    »Aber nicht so, wie wir glauben«, erwiderte ich. »Harriot ist ein schlauer Fuchs, richtig? Er weiß, wie Menschen denken. Wir haben eine Buchstabenkette vor uns und fangen an, sie als Text zu lesen. So wollen wir sie lesen. Wir müssen aber den Inhalt außer Acht lassen und unser Augenmerk darauf richten, wie er auf der Seite verteilt ist. Und – was seht ihr jetzt?«
    Alonzo glotzte blöde.
    »Buchstaben«, brummelte er.
    »Aber was unterscheidet die einen von den anderen?«
    »Also gut«, sagte Clarissa. »Auf die Gefahr hin, banal zu klingen, einige sind großgeschrieben und andere nicht.«
    »Und genau deshalb fällt es uns nicht auf. Es ist so offensichtlich.«
    Alonzo trat einen langen Schritt vom Bildschirm zurück.
    »Himmel«, stieß er hervor. »Groß- und Kleinschreibung. Ach, ich Dummkopf, ich dachte, es ist –«
    »Die übliche elisabethanische Zufallsschreibung, ich weiß. Dachte ich zuerst auch. Aber diesmal nicht. Also, wollen mal sehen, was wir da vor uns haben. Allen großgeschriebenen Wörtern ein B zuordnen … allen

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