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Algebra der Nacht

Algebra der Nacht

Titel: Algebra der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Bayard
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sandte er sein Postskriptum.
    »Ihnen und Ihren Gefährten viel Glück. Und grüßen Sie bitte Alonzo von mir.«

 

    28
    » N a«, sagt Alonzo. »Glaubst du mir jetzt ?«
    Wir saßen alle drei mit ausgestreckten Beinen auf Amorys Behelfsfriedhof. Wind war aufgekommen, Sand brannte uns in den Augen, und ein Heer von Gnitzen saugte uns den Schweiß vom Nacken.
    »Zugegeben hat er es nicht«, sagte Clarissa. »Genau genommen.«
    »Warum sollte er es zugeben?«, sagte Alonzo. »Würden Sie so etwas zugeben?«
    Sie bohrte ein Stöckchen in den Sand.
    »Um uns vor Styles zu retten, müssen wir den Schatz für Styles finden.«
    »Erlauben Sie mal. Der Schatz ist nicht Styles' Eigentum, war er auch nie. Er gehört Harriot.«
    »Styles sieht das offenbar nicht so«, sagte ich.
    »Deshalb ziehe ich es vor, die Sache wie eine elisabethanische Komödie zu behandeln. Deren glücklicher Ausgang nur noch ein, zwei Akte entfernt ist.«
    Eine Komödie , dachte ich und sah den Pharaonenschädel von Amory Swale langsam unter dem herangewehten Sand verschwinden.
    »Wir sollten die Polizei rufen«, sagte ich.
    »Darf ich noch einmal fragen, warum?«
    »Damit wir in Sicherheit sind«, sagte Clarissa.
    Er betrachtete uns erst einzeln, dann zusammen.
    »Und wovor wollt ihr sicher sein? Da ich nicht im entferntes
ten tot bin, wird man mich, wenn ihr die Polizei ruft, kurz darauf wegen Betrugs festnehmen, das kann ich euch flüstern. Und ihr – ich verwende den Plural nicht von ungefähr – werdet als meine Komplizen ebenfalls festgenommen. Ach, übrigens, die Wendung ›unter Mordverdacht‹, klingelt da bei euch irgendwas?«
    Was die Theatralik betrifft, entsprach sie eher viktorianischem als elisabethanischem Brauch. Kurz: es war schmalzig.
    »Das ist lächerlich«, sagte Clarissa. »Henry hat Halldor gesehen. Gesehen  –«
    » Beim Spaziergang . An einem Strand. Eine halbe Meile von hier entfernt. Nicht gerade ein rauchender Colt, oder? Das muss man Styles wirklich zugutehalten: er hinterlässt keine Fingerabdrücke. Und keine Schuhspuren. Wenn die hiesige Polizei so arbeitet, wie Polizei normalerweise arbeitet, verhaften sie die Leute, die gerade in der Nähe sind. Und Gott steh uns bei, wenn es so weit kommt.«
    »Wir hatten kein Motiv, Amory zu töten«, sagte ich.
    »Ach, Motiv.« Alonzos Kopf beschrieb eine spöttische Kreisbewegung. »Glaubst du wirklich, das hält die ab? Gib mir eine halbe Minute, dann nenne ich dir ein Motiv. Zwistigkeiten unter Dieben … ein Liebespaar, das in Streit geraten ist … zu viel Lakritze … glaub mir, die halten sich einzig und allein an die drei Personen, die sich in den vergangenen Tagen und Nächten in Amory Swales unmittelbarer Umgebung befunden haben. Der Rest geht zum Teufel.
    Und wenn sie uns erst mal im Visier haben, wie sicher seid ihr da noch? Schon mal polizeilich in Erscheinung getreten, Clarissa? Oder dein Auto, Henry. Vielleicht möchte die Polizei die Zulassung sehen. Den Fahrzeugbrief womöglich auch. Wenn ihr wirklich glaubt, ihr kommt bei einer so gründlichen Inspektion eures Lebens ungeschoren davon – wenn ihr wirklich glaubt, ihr könnt von jedem Kreuz hüpfen, an das sie euch nageln wollen – dann holt eure Handys ruhig heraus. Jetzt gleich.«
    Ich gebe es zu. Der Gedanke an Detective August Acree war nicht verlockend. Was Clarissa durch den Kopf ging, weiß ich natürlich nicht … aber es ist bestimmt nicht verkehrt, wenn ich
sage, in dem Moment ging ihr und mir auf, wie machtlos wir waren. Zwischen Bernard Styles dort und Alonzo Wax hier waren wir nicht mehr Herren über uns selbst.
    »Ich warte noch vierundzwanzig Stunden ab«, sagte ich und behielt Clarissa im Blick. »Damit bin ich einverstanden. Und dann rufen wir die Polizei.«
    »Dann ist das abgemacht«, sagte Alonzo.
    Und schaute jetzt ebenfalls Clarissa an. Wartete auf ein Zeichen. Sie jedoch eroberte sich ihre Würde dadurch zurück, dass sie ins Haus ging.
    Keine Minute später kam sie mit einem Kissen wieder, eines mit Jagdszenen, von Amory Swales Couch. Sie kniete sich hin und legte es dem Toten unter den Kopf. Betrachtete ihn noch eine kurze Weile. Und sagte schließlich:
    »Er hat doch bestimmt irgendwo Angehörige.«
    »Null.«
    Alonzo war wohl selbst bestürzt von der Kargheit dieser Antwort, denn er zog den Kopf ein Stückchen ein.
    »Sagen Sie mir, wann das aufhört«, sagte Clarissa und richtete ihren Blick auf ihn.
    »Was meinen Sie?«
    »Ich meine: erst das mit Lily. Und jetzt

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