Alias XX
werden wir an die Türen klopfen«, sagte er, während sie sich an der Ecke durch eine Gruppe Soldaten zwängten. »Wir reden mit den Pensionswirten.«
Harriet zog ihn dicht zu sich heran und sagte nichts.
»Wir überprüfen evakuierte Wohnungen. Wir reden mit Lebensmittelverkäufern. Auch Earl muss was essen.«
Ihr dünnes braunes Haar bewegte sich im Luftzug eines vorbeifahrendes Busses.
»Gut«, sagte er. »Das Waterfall.«
29
5. Dezember 1941, Morgen
Das Funkgerät war in ganz außergewöhnlich gutem Zustand und lag bombensicher in Abendammers babyblauer Strohtasche, hübsch verschnürt mit einem zitronengelben Band. Das Funkgerät war bereit, Mr. Penthams Haus blitzeblank und sie selbst etwas außer Atem nach dem Tanzen.
Sie hatte in einem ganz reizenden Krimskramsladen an der Threadneedle einige Kleinigkeiten gekauft, und obwohl Mr. Penthams Grammophon nicht sehr häufig benutzt worden war, hielt es sich tapfer unter der Belastung von »You Can’t Stop Me from Dreaming« und »It’s De-Lovely«. Ausgelassen drehte sie sich noch, nachdem das Lied zu Ende war. Sie hatte den ganz und gar perfekten Ort für die Funkübertragung gefunden. Sie ging davon aus, dass sie heute oder morgen Abend senden würden, das hing von Buchbinder ab – und auf Buchbinder konnte man sich immer verlassen. Sie packte die Strohtasche in den Kinderwagen aus Weidenrohr und betrachtete sich im Spiegel. Sie trug eines von Mr. Penthams lächerlichen Hemden mit schreienden, klobigen Manschettenknöpfen. Allerdings war ihr gestern einer davon abgesprungen, so dass sie weitere zehn Minuten nach einem neuen Paar suchen musste, bis sie das Haus verlassen konnte.
Der tote Briefkasten, der als nächste Kontaktstelle mit Buchbinder abgesprochen war, lag am Ebury Square. Sie hatten für unzählige Tage tote Briefkästen, keiner davon wurde zweimal benutzt. Sie nahm die U-Bahn zum Sloane Square, wo sie eine entzückende Teestube aufsuchte. Ebury war nur einen Katzensprung entfernt. Nach dem Tee trat sie in den nieseligen Nebel hinaus und wurde von einem attraktiven alten Gentleman gefragt, ob sie nicht zu nass werde. Sie flirtete mit ihm, fröhlich und mit einem großen Maß an Schicklichkeit. Sie mochte die Engländer. Wenn sie nur nicht so dumm wären! Wollten nicht einsehen, dass das neue Reich im Aufstreben, während ihr eigenes Empire im Niedergang begriffen war.
Auf dem Ebury Square standen Bänke unter laublosen Bäumen mit dicken Stämmen. In der Mitte befand sich ein bescheidener Brunnen, der Park selbst war von Gebäudeblöcken umgeben, die sich den Anschein des Modernen gaben. Zwei Frauen schoben Kinderwagen vor sich her, ein Pferd, das einen Karren zog, klapperte vorbei. Abendammer prüfte die Umgebung, dann sah sie zum Brunnen. Das Fundament war markiert! Buchbinder war frei. Ihr Herzschlag beschleunigte sich ein wenig. Er war hier gewesen.
Sie fummelte an ihrem Schuh, als hätte sie sich einen Kieselstein eingefangen, und musterte dabei die Markierung. Schließlich setzte sie sich auf die angegebene Bank und fummelte ein wenig mehr. Dann erhob sie sich und ging, nachdem sie die Notiz sicher im Absatz ihres Pumps verstaut hatte. An einer Straßenecke las sie den Brief. Seine sensible Verdauung, ja, ja. Sie lachte. Rosslyn Park, 30, mit Knapp, Steel, Ward, Huxley und Gallaher. Sie verglich die Reihenfolge der Namen mit der in der Zeitung, dechiffrierte den Rest und war außerordentlich erfreut.
Sie würden heute Abend senden. Und die zweite Anweisung für sie lautete, ein Auge auf Tommy Wall zu haben. Nun, sie behielt ihn schon seit einiger Zeit im Auge, seitdem der kleine Mann mit der Weste seinen Namen erwähnt hatte. Oh, aber was für ein lustiger Ort, um den Mikrofilm zu verstecken. Wie dumm musste Tommy sich vorkommen, wenn sie ihm das verriet.
Audrey wischte in der Wohnung Staub und bemerkte dabei, dass die Möbel eine neue Politur vertragen könnten. Also polierte sie, und erst nachher fiel ihr auf, wie stumpf der Boden war, den sie dann sogleich kehrte und wischte. Darauf rollte sie den Läufer zusammen, schleppte ihn nach draußen und klopfte wild auf ihn ein. Das Zimmer sah besser aus, nur dass sich hinter den Verdunkelungsvorhängen fürchterlich der Dreck angesammelt hatte. Sie putzte die Fenster, wischte noch einmal den Boden und aß daraufhin eineinhalb Büchsen süße Kekse von Woolworth. Sie rückte den Lampenschirm gerade, reinigte die Küchenschränke, scheuerte die Spüle und den
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