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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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der unerschütterlich ist.«
    Tom klopfte eine Zigarette aus der Packung. Bevor er sie zum Mund brachte, war sie vom Regen gesprenkelt.
    »Jemanden, der mir meine Ängste nimmt, der mir sagt« – fast lächelte sie –, »dass ich mir nicht meinen hübschen Kopf zerbrechen soll. Einen Anker. Earl ist so einer, aber du …«
    Earl verschliss zwei Streichhölzer, als er sie mit einer Hand anzuzünden versuchte, und warf sie in den Kanal. Die Enten paddelten darauf zu und pickten danach.
    »Ich liebe Earl«, sagte sie. »Für das, was er ist – und für das, was er nicht ist.«
    Schließlich gelang es ihm, ein Streichholz zu entfachen. Er ließ es abbrennen, ohne die Zigarette anzuzünden, und warf es den anderen hinterher. Der Nieselregen wollte nicht nachlassen, überall roch es nach frischer Erde.
    »Aber ich frage mich …« Eine Locke klebte ihr an der Stirn, sie strich sie weg. »Ich frage mich, was muss das für ein kleiner dummer Angsthase sein, der einen Anker dem Segel vorzieht.«
    Der Regen ließ nach, dann hörte er ganz auf. Vom Kanal stiegen leichte Nebelschwaden auf.
    »Er liebt dich, so gut er kann«, sagte Tom.
    »Ja.«
    Tom starrte auf das Wasser, das träge durch den Kanal floss.
    »Es gibt Männer, Tommy«, sagte sie, »die wissen, was Liebe ist.«
    »Harriet – ich bin angeschossen worden. Ich bin unter Drogen gesetzt, zusammengeschlagen und eingesperrt worden und laufe seit Ewigkeiten durch diese Stadt. Wir haben keine Zeit für Kreuzworträtsel.«
    Dumpf drangen die Geräusche der Stadt durch den feuchten, grauen Dunst. Harriet senkte den Kopf und verstummte. Der Nebel hüllte sie ein. Als sie wieder das Wort ergriff, klang es, als käme ihre Stimme aus weiter Ferne. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich die gleiche Entscheidung noch einmal treffen würde.«
    Für einen Moment hing dieser Satz zwischen ihnen. »Weil Earl Geliebte hat?«, sagte Tom.
    »Ich hab’s nie anders erwartet.«
    Nein, so dumm war sie nicht. »Ich hab immer nur dich gewollt«, sagte er.
    Sie sah in den vom Kanal heraufziehenden Nebel. »Ist sie seine Geliebte?«
    »Nein.« Er wusste, dass sie Audrey meinte.
    »Er war hinter ihr her.«
    »Ja.«
    »Wir werden Earl nicht finden, Tom. Nicht hier. Nicht so.«
    »Wir müssen.«
    Aber der Heuhaufen war zu groß, und die Nadel war aus Stroh. Es gab zu viele Fragen, auf die sie keine Antworten hatten, während sich die japanische Flotte unaufhaltsam dem unverteidigten Stützpunkt Pearl Harbor näherte. Seeleute würden sterben, Jungs, die genauso gut zu seinem Trupp gehört haben könnten.
    »Komm mit nach Hause«, sagte sie.
    »Ich bin nicht Earl.«
    »Ich weiß, wer du bist, Tommy.« Sie wandte ihm ihr regennasses, wundervolles Gesicht zu. »Gibt es denn jemanden, der dich besser kennt?«
    Niemanden. »Dann weißt du auch, dass ich nicht kann.«
    Sie legte ihm die Hand an die Wange. »Nein«, sagte sie. »Du kannst nicht.«
    Sie ging. Er war allein. Ohne Harriet. Ohne Earl.
     
    War kein Problem, den Yank zu finden. Shepherd Market, das Waterfall, und schon hatten sie ihn. Aber es brachte Rugg auf die Palme, dass Tom Wall mit der schnieken Schnecke am Arm den Platz überquerte, sich nicht umblickte, sich überhaupt keine Sorgen machte, als wäre er auf Urlaub. Hatte nicht so viel Verstand wie ein Hering. Das brachte Rugg verdammt noch mal auf die Palme. Der Straßenmaler war eine Stunde zuvor abgezogen. Sein Bild der Kirche verblutete im kalten Regen, Farbäderchen versickerten in Spalten und im Rinnstein. Rugg stand still wie eine Statue und beobachtete Wall, ohne den Kopf zu heben. Seine Schnecke hatte ein kreidebleiches Gesicht, das sich vor dem schwarzen Schirm abzeichnete, ihre Augen waren wie Frost. Rugg sah, wie Renard sich von seinem Türeingang löste und lange wartete, bis Wall und die Frau die Straße überquert hatten. Sie bogen um die Ecke, Rugg folgte ihnen, und als er sie wieder im Blickfeld hatte, blieb er erneut stehen. Schnapp dir Wall, schnapp dir das Paket, pack ihn am Genick und lass die Knochen knacken. Aber die beiden waren nie allein, erst im Zoo und in der Albert Road, dann klopften sie an Türen und sprachen mit Ladenbesitzern. Spazierten am Kanal entlang, als marschierten sie bei einer Parade mit, warfen den Enten im Regen Brot zu.
    Dann ließ der Regen nach, und die Schnecke ging, und Wall war so allein wie noch nie zuvor in seinem Leben, stand an der Holzbrücke, dort, wo sich zwei Fußwege kreuzten. Auf dem Kanal war nichts los, niemand war auf den

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