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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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Wegen. Der Regen hörte auf. Nebel stieg vom Gras und Kies auf. Rugg sah Renard, der dumm zu ihm rüberglotzte, dann kratzte er sich am Kinn. Renard nickte – auch er konnte niemanden sehen. Rugg sah, wie Renard am Ärmelaufschlag herumfummelte, wie er das Messer in seine zusammengelegte Zeitung gleiten ließ. In einer schnellen Bewegung würde die Klinge durch das Papier schneiden, durch Haut und Fleisch dringen und die Knochen ritzen. Langsam nahmen Rugg und Renard ihn in die Zange.
    Tom warf die Kippe in den Kanal. Sie trieb auf dem Wasser und verfing sich im abgeknickten Schilfgras am Ufer. Also würde er im East End suchen. Earl konnte sich nicht ewig verstecken. Wenn er nur wüsste, wie viel Zeit ihm noch blieb. Hawaii lag elf Stunden zurück, dort war es erst früher Morgen. Sondegger lief frei in der Stadt herum, Davies-Frank war tot. Highcastle musste den Hunnen und Abendammer aufhalten, bevor sie ihren Funkspruch absetzten. Die Zigarettenkippe löste sich vom Schilf und trieb in einen gemächlichen Strudel. Worauf hatte es Sondegger abgesehen? Zum Teufel, worauf hatte es Harriet abgesehen? Etwas nagte an ihr, mehr, als sie offen ausgesprochen hatte. Nun, es würde warten müssen. Alles musste jetzt warten, solange er den zweiten Mikrofilm nicht gefunden hatte.
    »Tommy!« Harriets Stimme schallte von der anderen Kanalseite herüber. »Tommy!«
    Vielleicht konnte es doch nicht warten. Er hob den Kopf und sah am gegenüberliegenden Ufer – nein, nicht Harriet, sondern Audrey im Nebel stehen. Sie winkte oder warf etwas. Nein, sie deutete auf etwas – auf einen Mann, der schnell auf die schmale Brücke zuging, die in einem hohen Bogen den Kanal überspannte. Renard. Der die Zeitung fallen ließ, die er in der Hand gehalten hatte, und an deren Stelle eine silbern schimmernde Klinge zum Vorschein kam.
    »Audrey!«, rief Tom. Wo zum Teufel war Rugg? »Hauen Sie ab! Los!«
    Aber sie fuchtelte nur energischer mit den Armen, und dann entdeckte er Rugg hinter sich. Dreißig Meter entfernt, zwei Schritte neben dem Weg, mit dem Rücken zur Stadt. Tom fasste nach dem Colt, den er nicht bei sich hatte. Hinter ihm lag der Kanal. Es gab keine Boote. Könnte er schwimmen? Nicht bei diesem schlammigen Ufer, dem kalten Wasser. Nicht, wenn er nur eine Hand gebrauchen konnte. Nicht, wenn er Audrey dabei zurücklassen müsste. Er musste es mit einem der beiden aufnehmen. Die Entscheidung fiel nicht schwer, trotz des Messers, das Renard in der Hand hielt. Plötzlich wurde ihm warm. Er wollte sich stellen und kämpfen, sonst nichts. Er hatte die Schnauze voll davon, sich immer nur mit Gespenstern rumzuschlagen. Er warf einen Blick zu Rugg, um sicherzugehen, dass der große Mann noch weit genug entfernt war, bevor er auf Renard losging. Er hatte keine Waffe, keinen abgebrochenen Ziegel, keinen Draht. Er wollte die Sache hinter sich bringen.
    Audreys Kreischen wurde lauter und schwoll an, Tom fuhr herum, sein Magen zog sich zusammen, aus Angst, Renard würde ihr das Messer an den Hals halten. Aber sie war weit von ihm entfernt, stand unter der tropfenden Krone einer Eiche, hatte die Arme eng an den Körper gepresst, die Hände zu Fäusten geballt, ihr Gesicht war gerötet, und sie hatte den Mund aufgerissen – eine wandelnde Luftschutzsirene. Renard sah zu ihr, entschied sich wohl, dass sie zu weit weg war, um sie zum Schweigen zu bringen, und kam mit dem Messer auf Tom zu.
    Die Brücke war schmal, das Geländer niedrig. Tom hatte noch nie jemanden außerhalb des Schlachtfelds getötet. Er zog sein Jackett aus und wickelte es um seinen rechten Unterarm, so fest, dass die Hand brannte. Es gab immer ein erstes Mal.
    Weit weg war ein Wagen zu hören, bei dem mit Gewalt der Gang eingelegt wurde. Tom setzte einen Fuß auf die Brücke, stellte sich seitlich vor Renard und beobachtete Rugg aus den Augenwinkeln heraus.
    »Du Arschgeige«, sagte Renard, das Messer in der herabhängenden Hand. »Hättest uns das Päckchen geben sollen, als wir dich danach gefragt haben.«
    »Hast du auch einen Vornamen, Renard?«
    »Nicht für Typen wie dich.«
    Die Brückenplanken waren glitschig. Wenn er Renard in den Kanal stoßen könnte … »Hab noch nie einen Mann getötet, dessen Namen ich kannte«, sagte er.
    »Ich schon.« Renard spuckte über das Geländer. »Ist genauso tot.«
    Tom hob den umwickelten Arm und ging leicht in die Knie. Er hörte Audrey immer noch schreien und sah Rugg, der stehen blieb und sich mit der Hand an die Schulter

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