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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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Brusttasche gleiten, legte sich die Uhr über das linke Handgelenk, konnte das Armband aber nicht schließen.
    »Sie werden dafür eine Erklärung finden müssen.« Davies-Frank nahm Tom am Ellbogen, drehte die Handfläche nach oben und befestigte ihm die Uhr. »Für Ihre Hand.«
    »Earl erklärt nichts.« Er warf den Ehering in den Umschlag zurück. »Und trägt auch keinen Ring.«
    Highcastle grunzte, Davies-Frank nickte. Das, dachte sich Tom, war wohl alles, was er an Motivation zu hören bekommen würde.
    »Sicherheit ist nichts, was sich ein für allemal festlegen lässt«, sagte Davies-Frank, während er Tom eine Packung Capstan und ein Feuerzeug reichte. »Bei uns fängt es mit der Gruppe eins an, den neuen Agenten. Die sind meist noch im Gefängnis und werden behandelt, als wären sie Feinde. Am Ende steht – so unsere Hoffnung – die Gruppe fünf, Agenten, an deren Loyalität kein Zweifel besteht. Die schicken wir in neutrale Länder, wo sie, ohne jede Überwachung, nur ihrem Gewissen verpflichtet sind.«
    »Und was ist Sondegger?«
    »Null«, sagte Davies-Frank. »In seinem Zimmer ist eine Linie gezogen, die Sie auf keinen Fall überschreiten dürfen …«
    »Gilt nicht für Earl«, sagte Highcastle.
    »Ja, natürlich.« Davies-Frank schüttelte den Kopf. »Sondegger verlangt ein Gespräch mit Earl unter vier Augen, Nähe, Vertraulichkeit. Wir fangen mit der Nähe an, ignorieren den Sicherheitsabstand. Und arbeiten uns langsam zur Vertraulichkeit vor.«
    »Dafür ist keine Zeit«, sagte Highcastle. »Soll der Hunne seine Vertraulichkeit haben.«
    »Zu gefährlich«, sagte Davies-Frank. »Wir sollten nichts überstürzen …«
    »Highcastle hat Recht«, sagte Tom. »Manche Dinge können nicht warten.«
     

8
 
1. Dezember 1941, Nachmittag
    Sondeggers Bühne wurde nicht durch die Länge der Eisenkette beschränkt. Die Kraft seiner Gefühle ließ sich nicht durch Beinschellen bändigen. Sie alle waren lediglich Requisiten: die Kette und die damit gefesselten Fußknöchel, der Holzstuhl und der Tisch, das Mikrofon, das fachmännisch in der Glühbirnenfassung darüber versteckt war.
    Sie waren unzulänglich und porös. Er streifte sie ab und überwand sie, mit seinem Geist, seinem Willen, mit seinen Worten. Er redete. Verführte einen Menschen, von dem er erst seit kurzem wusste, dass er überhaupt da war. Ein vorsichtiges Klopfen gegen die Wand vergangene Nacht, und er wusste, dass der Gegenstand seiner Aufmerksamkeit mürbe wurde. Der Inhalt seines Monologs spielte keine Rolle – die Worte dienten nur als Träger für den warmen Klang seiner Stimme.
    »… betrachten wir diese Vorstellung doch etwas eingehender, die ›Dauer der Zeit‹, nicht wahr? Der Autor sagt, sollte ein Kritikaster am Ende doch entschlossen sein, ein Pendel herzunehmen …«
    In den Pausen, die er zwischen seine Worte einfließen ließ, hörte er Schritte im Gang. Er erkannte das charakteristische Stampfen von Highcastle, gezüchtet wie ein Jagdhund wegen seiner Treue und Ausdauer, von einer Gesellschaftsschicht, die verweichlichter und dümmer war als er selbst. Die Schritte des zweiten Mannes kannte er nicht. Ein neuer Wachmann? Ein Hausmeister, der Nachfolger Tipcoes?
    »… und die wahre Zeitdifferenz zwischen dem Ziehen der Glocke und dem Klopfen an der Tür auszumessen; – und nachdem er befunden hätte, sie betrage nicht mehr als zwei Minuten und dreizehn Sekunden …«
    Der arme, von Frau und Tochter verlassene Mr. Tipcoe mit seinem Putzkübel und seinen tränenden Augen, in denen Scham über die Vergangenheit und Angst vor der Zukunft zu lesen waren. Sondegger hatte Tipcoes fadem Auftritt Leben eingehaucht. Soll ein Mensch leben und sterben, ohne jemals das Schicksal in die eigenen Hände genommen zu haben, die in mörderischem Eifer den Stiel einer Axt umklammerten?
    »… vielleicht sogar mehr als zwei Minuten und dreizehn Sekunden … aber ich bitte Sie!« Ein geisterhaftes Glucksen war zu hören. »Für unsere Zwecke sollte dies doch von ausreichender Genauigkeit sein!«
    Könnte das zweite Schrittepaar Wall gehören? Dem Mann, dessen Anwesenheit unumgänglich war. Wall, der Übermittler. Wall, der Katalysator, der in den Seitenkulissen wartete … Sondegger versuchte sich den Flur vor seiner Tür vorzustellen. Weiß gestrichen, damit er, Sondegger, sich klar davon abhob, falls er während eines Stromausfalls flüchten sollte. Aber wenn er sich der Kette entledigte, würde er auf keinen Fall so unspektakulär bereits

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