Alias XX
sich daran, wie sie sich als kleines Mädchen verkleidet hatte, in Mamas Schuhen herumgepoltert war, mit Perlenketten behangen, die ihr bis zu den Oberschenkeln reichten. Auch Mr. Pentham besaß einige alte Schätze, die einfach gottvoll waren, Tabakbeutel und Krawattennadeln, ganz herrliche Theaterrequisiten. Der arme Mr. Pentham, so mutig und so verwirrt war er gewesen. Abendammer hoffte, dass dieser neue englische Gentleman, zu dessen Treffen sie quer durch die Stadt radelte, sie ebenfalls so freundlich behandeln würde. Sie war überrascht gewesen, als sie von der Bitte nach einem Treff am toten Briefkasten erfahren hatte, überrascht und argwöhnisch, da die Bitte nur unvollständig verschlüsselt und der Treffpunkt unzureichend beschrieben war. Doch dann, nach dem Erhalt der Nachricht, war es ihr nicht mehr so ungewöhnlich erschienen. Denn nicht der Mann, den sie Buchbinder nannte, hatte sie auf diese dilettantische Weise um einen Treff ersucht, sondern ein untergeordneter Agent, den er kontrollierte, ein Agent, der frisch angeworben worden war. Ein Agent, der nicht wusste, für wen er arbeitete, sondern nur zugehört und gelernt hatte und dem Ruf seines Meisters Folge leisten würde.
Abendammer würde ihn am Bombenkrater treffen und dann den vollen Wortlaut von Buchbinders Botschaft erfahren. Sie lehnte ihr Fahrrad gegen eine lose Ziegelmauer und mühte sich über das Geröll zu einem Beobachtungspunkt, wo sie warten wollte. Sie stellte sich in den Schatten, in der einen Hand hielt sie ein Eisenrohr.
Der Stuhl knarrte, als Davies-Frank die Füße auf den Tisch legte. Er hielt sich den Hörer ans Ohr, lauschte dem Klingeln und beobachtete Highcastle, der im beengten Büro in Hennessey Gate über Karten brütete.
»Mrs. Davies-Frank«, sagte er, als er die Stimme seiner Frau hörte.
»Lämmchen«, sagte Joan mit voller, warmer Stimme. Ihr Ton und der Kosename sagten ihm alles, was er zu wissen brauchte. Sie verzieh ihm, wenn er bis in die Nacht hinein arbeitete, die mitternächtlichen Anrufe. Sie verzieh ihm, und mehr als das.
»Haben die Zwillinge das Abendessen ohne Katastrophen überstanden?«, fragte er.
»Ohne übermäßige Katastrophen.«
Er spürte, wie er sich entspannte. Nicht, weil er sich über das Abendessen Sorgen gemacht hätte, sondern weil er sich bei Joan entspannen konnte. »Ausgezeichnete Neuigkeiten.«
Highcastle fuhr mit dem Finger über einen Falz in der Karte, die auf seinem Schreibtisch ausgebreitet war, und machte sich weder die Mühe zu lauschen, noch so zu tun, als würde er nichts hören.
»Sie sind jetzt oben«, sagte Joan. »Kichernd unter der Decke mit einer Taschenlampe.«
»Verschwenden Batterien.«
»Wenn du nach Hause kommst, solltest du mal ein ernstes Wörtchen mit ihnen reden. Ich muss nicht auf dich warten?«
»Nein, heute nicht, Liebes.«
»Nein. Gut, versuch etwas Schlaf zu bekommen, Liebling.«
Davies-Frank sagte etwas zu ihr, was sie zum Lächeln brachte, dann legte er den Hörer auf, so sanft, als würde er sie im Nacken küssen.
Ohne aufzublicken, sagte Highcastle: »Das sollte gesetzlich verboten werden.«
»Eifersüchtig, alter Gockel?«
Der graumelierte Kopf ging nach oben. »Ja. Sie sind ein glücklicher Mann.« Er patschte seinen dicken Finger auf die Karte, wo er Abendammer festzunehmen gedachte. »Viertel nach zehn. Wir brauchen mindestens sechs Männer. Besser zwölf.«
Vor der All Souls Church, am folgenden Abend, bei dem, was Sondegger als Treff bezeichnet hatte. Davies-Frank entwirrte das Telefonkabel. »Sie sind zuversichtlich, dass wir ihn verhaften werden?«
»Wenn die ganze Stadt verdunkelt ist?«, sagte Highcastle.
»Gibt da keine Garantie, auch nicht mit einem Dutzend Leute. Anwendung tödlicher Gewalt wurde genehmigt. Besser, wenn er tot ist und nicht mehr frei rumläuft.«
»Es wird morgen nicht bewölkt sein, außerdem scheint der Mond«, sagte Davies-Frank. »Bestes Wetter für Luftangriffe, aber auch gute Sichtverhältnisse für uns. Wir werden ihn schnappen.«
»Wenn er da ist.«
»Abendammer wird da sein.« Wenn nicht, würde Sondegger exekutiert werden. Das war der einzige Grund, warum Davies-Frank an die Richtigkeit der Informationen glaubte. Aber warum Sondegger darauf bestanden hatte, sie nur Earl zu geben … »Warum Earl? Sondegger hätte es uns doch auch direkt sagen können.«
»Dieser Tom hält was zurück.«
»Meinen Sie?«
»Bin mir nicht sicher«, sagte Highcastle. »Sollen sich die Amerikaner den
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