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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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die Vedel dann ebenfalls in die Luft sprengte. Und Whiskbroom in Berlin. Whiskbroom war nicht nur ein Agent an hoher Stelle, er war auch so was wie ein Spiegel. Er war in Davies-Franks Alter, war von ähnlicher sozialer Herkunft und sprach so gut Englisch wie Davies-Frank Deutsch. Seine Frau war so alt wie Joan und fast so schön. Er hatte drei Kinder. Er setzte das Leben seiner Familie aufs Spiel, um gegen die Faschisten zu kämpfen, mutiger als jeder Soldat im Feld. Wenn das Zwanziger-Komitee fiel, würde er den höchsten Preis zu zahlen haben.
    Nein, es war nicht sonderlich schwierig, sich an die Gründe zu erinnern.
    »Ruhige Nacht«, sagte Farquhar, als er Davies-Frank in den Stenoraum folgte. Er grinste Melville an. »Geht ihm langsam der Dampf aus?«
    »Na ja, ist ja auch spät«, erwiderte Melville mit schwachem Lächeln. »Höchstwahrscheinlich schläft er schon.«
    Farquhar deutete auf den Stapel Stenoblöcke. »Sieht aber aus, als hätte er davor einiges zu sagen gehabt.« Mit einem spöttischen Seufzer wandte er sich an Davies-Frank. »Jedesmal, wenn ich zum Dienst antrete, verstummt unser Gast. Langsam hab ich den Verdacht, dass er mit meiner Handschrift nicht zufrieden ist.«
    »Dann werden Sie seine Weihnachtskarten auf einer Schreibmaschine tippen müssen«, sagte Davies-Frank. Er schloss die Tür, während er und Melville in den Gang traten.
    »Er schläft jetzt nachts?«
    »Vielleicht ist er auch wach«, sagte Melville. »Ich kann es wirklich nicht sagen.«
    »Letzte Woche war er nachts aktiv – da hatten doch Sie die Nachtschicht, oder?«
    »Nur bis Donnerstag.«
    »Natürlich«, sagte Davies-Frank. »War ein aufregender Tag heute.«
    »Was? Oh … das Feuer.«
    »Ja, das Feuer«, sagte Davies-Frank geistesabwesend auf dem Weg ins Büro, während ihm der unterschiedlich hohe Ausstoß der jeweiligen Stenotypisten nicht aus dem Kopf ging. Wenn er es recht sah, hatte Sondegger mit seinem Geschwafel zwei ganze Blöcke gefüllt, wenn Melville Dienst schob, bei Farquhar oder O’Brien aber nur etwa ein Dutzend Seiten – als könnte er zwischen Melville und den anderen unterscheiden. Davies-Frank sah zu Melville, der neben ihm herschlurfte. Sollte den armen Kerl etwas aufbauen, der unter der Last von Sondeggers Worten ganz geknickt schien.
    »Sie sind ein sorgloser Junggeselle, was?«
    »Leider ja.«
    »Das erklärt, warum man Sie für die Nachtschicht einteilt. Wie Mr. Highcastle, ein geborener Junggeselle. Ich hab Highcastle dabei erwischt, wie er zu einem grauen Jackett eine Golduhr trug, eine Ehefrau würde so etwas nie dulden.«
    Schmunzelnd schüttelte er den Kopf, aber Melville wollte das Lächeln nicht erwidern. »Musste mit ihm tatsächlich ein ernstes Wort reden. Zu Grau nimmt man natürlich lieber Silber …«
    Melville ruckte zweimal mit dem Kopf. Äußerst nervös. Trotzdem, er war auf Herz und Nieren geprüft und für geeignet erklärt worden. Wahrscheinlich durch nichts zu erschüttern, wenn er erst mal an seiner Arbeit saß. Jeder wurde nervös, wenn die Tage sich so dahinzogen – es stand einfach zu viel auf dem Spiel. So viel hing von so wenigem ab.
     

17
 
2. Dezember 1941, Morgen
    »Trautes Heim«, sagte Tom, »Glück allein.«
    Er richtete sich vom Kissen auf. Sein Kopf war schwer und fühlte sich so zerschlagen an wie ein großer Messinggong. Dauerte eine Woche, bis er ihn oben hatte, aber er hielt durch. So ein harter Kerl war er.
    Er hievte sich hoch, lehnte sich gegen das Kopfbrett und nahm den Raum in Augenschein. Eine Art von Kabuff, an die er sich in den vergangenen sechs Monaten nur allzu gut gewöhnt hatte. Ein kleiner, unpersönlicher Raum mit einem kleinen, unpersönlichen Bett, in dem es nichts gab, was nicht klein und unpersönlich gemacht werden konnte. Von seiner Haut ging ein bitterer Geruch aus, der sich mit der abgestandenen Luft zu einem üblen Gestank vermischte. Die Vorhänge waren zurückgezogen. Draußen ging aus schwarzen Wolken ein Schauer nieder.
    Seine Schmerzen hielten sich in Grenzen. Er hatte geschlafen, aber es war ein betäubter Schlaf gewesen. Ein Schlaf ohne Erholung.
    Ein Eisenbahnarbeiter hatte ihn eine Stunde vor der Morgendämmerung aufgelesen. »Hab nichts gehört, keinen Piep«, hatte der Mann gesagt. »Hab durchgearbeitet, einfach durchgearbeitet – nicht einen Piep.« Der Eisenbahnarbeiter hatte geglaubt, es hätte einen Luftangriff gegeben. Er glaubte, Tom sei ein Bombenopfer.
    Tom hatte gelacht, Blut gespuckt und »Rowansea« gesagt.

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