Alias XX
knauserig, sehr reni, reni … wie heißt das Wort?«
Chilton antwortete nicht. Diese Männer waren von Nutzen, doch gehörte es sicherlich nicht zu seinen Aufgaben, sich auch noch ihrer Bildung anzunehmen. Rugg verlagerte das Gewicht. »Renitent«, sagte er mit seiner Fistelstimme.
»Renitent«, sagte Renard. »Unser Mr. Wall hat nur dummes Zeug gefaselt.«
Was stimmte, wie Chilton wusste. David Frank und die Home Guard – alles gelogen.
»Sie konnten ihn nicht zum Reden bewegen?«, fragte Chilton und bedauerte es sofort. Er sollte Forderungen stellen, nicht bitten. Alles andere würde nur seine Autorität untergraben, und Autorität war der Grund, warum der Faschismus die »Welle der Zukunft« darstellte, wie Anne Lindbergh schrieb, während die Demokratie nur die verdorbene Frucht eines verdorbenen Baumes war. Traurigerweise waren die Menschen im Faschismus nur selten von so erhabener Größe wie seine philosophischen Grundlagen. Diese beiden Männer waren bedauernswerte Exemplare. Chilton sah es geradezu vor sich, wie sie eifrig Parolen schmierten – »Christen, wacht auf! Lasst euch nicht für die jüdische Hochfinanz abschlachten!«, »Stoppt den Krieg, stoppt die Kriegstreiber!« –, wenn sie denn überhaupt so weit des Lesens und Schreibens mächtig waren. Aber nach dem Public Order Act gab es nur noch wenige, denen zu trauen war. Chiltons Mittelsmann hatte versichert, dass die beiden gewissenhaft ihrer Arbeit nachgingen. Und diskret.
»Der Yank hat eine Achillesferse.« Renards zahnstrotzendes Lächeln wurde noch breiter. »Eine Achilleshand. Die hat ihn zum Reden gebracht. Hat in Griechenland ein paar auf den Deckel bekommen. Davon haben wir einiges zu hören gekriegt, was, Rugg?«
Rugg ließ einen Knöchel knacken.
»Und David Frank?«, sagte Chilton. »Ich nehme an, Sie können mit Einzelheiten aufwarten.«
Die Einzelheiten waren wertlos – Tom hatte sich in sein Delirium geflüchtet. Trotzdem gab es einiges, was Chilton hellhörig werden ließ, vor allem in Hinblick auf das, was er bereits wusste.
Der erste Anruf war am Morgen des vorherigen Tages eingegangen. Ponsonby hatte ihm das Telefon an den Frühstückstisch gebracht. »Die Metropolitan Police, M’lord.«
»Chilton«, hatte er sich gemeldet.
Ein Polizei-Sergeant stellte sich vor und erkundigte sich nach Chiltons Befinden.
»Mein Befinden ist so ausgezeichnet, dass Fremde keinen Anlass zur Besorgnis zu haben brauchen.«
Der Sergeant fragte, ob er mit Thomas Wall verwandt sei.
»Durch Heirat.«
Der Sergeant sagte, Tom habe Rowansea verlassen und sei vielleicht auf dem Weg nach Burnham Chase.
»Ist sein Bruder darüber in Kenntnis gesetzt?«, fragte Chilton.
Dem Sergeant sei es nicht möglich gewesen, Mr. Earl Wall zu kontaktieren. Vielleicht wisse Lord Chilton, wo er sich aufhalte?
Lord Chilton wusste es nicht. Aber Lord Chilton war neugierig. Thomas Wall war wieder ausgebrochen – und Earl war nicht ausfindig zu machen? Vielleicht würde dies dazu führen, dass die brüderliche Beziehung eine Veränderung erfuhr. Vielleicht würde Earl wieder auftauchen, seines Bruders wegen? Mit Tom bot sich Chilton die beste Gelegenheit, um gegen Earl vorzugehen, aber das nützte alles nichts, solange die beiden einander spinnefeind waren. Er hatte sich in der Bibliothek aufgehalten, hatte in Gedanken die Möglichkeiten durchgespielt, als erneut Ponsonby erschien. Ein geschäftiger Tag für das Telefon.
»Ein Mr. Rowans, M’lord.«
Chilton wartete, bis die Tür zufiel, erst dann meldete er sich.
»Chilton.«
»Hier ist, äh, der, den Sie bestellt haben, um …«
»Ich weiß, wer Sie sind, Sir.«
»Ich habe, äh, Neuigkeiten über den, der … über den Patienten, den Amerikaner.«
»Ich bin bereits im Besitz dieser Neuigkeiten«, sagte Chilton. »Und bin enttäuscht, dass ich sie nicht von Ihnen erhalten habe.«
»Dass er aus dem Krankenhaus geflohen ist? Nein, das meine ich nicht. Ich habe, äh, besondere Neuigkeiten.«
Chilton beugte sich über das Telefon. »Der Patient hatte Besuch?«
»Das hatte er, ja. Aber er traf ihn nicht an. Der Patient hatte heute Morgen einen Termin, aber als der Besucher eintraf, war er schon fort.«
»War der Besucher mit ihm verwandt?«
»Es war nicht sein Bruder, nein«, sagte der Anrufer. »Jemand aus der Stadt. Er hat Mr. Walls zeitweilige Entlassung angeordnet. Nur für einen Tag. So was ist mir noch nie untergekommen.«
»Wie heißt der Besucher?«
»Rupert Davies-Frank.« Er
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