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Alias XX

Alias XX

Titel: Alias XX Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Ross
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maisblonde Schätzchen überquerte den Platz. Nach einigen Schritten legte er ihr die Hand auf den Arm und riss sie herum.
    »Ich schreie«, sagte sie so abgebrüht wie eine alte Jungfer.
    »Lassen Sie mich los!«
    Er nickte und sagte: »’tschuldigung, Miss.«
    »Lassen Sie meinen Arm los.«
    Sie versuchte sich loszureißen.
    Wie hatte der Nadelstreifentyp sie genannt? »Ich tu Ihnen nichts, Miss Anne.«
    Ihre Augen wurden schmal. »Sie haben es gehört?«
    »Mr. Wall hat’s mir gesagt«, sagte er.
    Diesmal kam das Schätzchen nicht ins Stolpern. Ihre Gesichtszüge wurden weicher. »Earl?«
    »Er hat’s mir gesagt.« Er hielt sie nur noch lose am Arm. Sie waren fast allein. »Er hat gesagt, ›such Miss Anne und sag’s ihr‹.«
    »Das hat Earl gesagt? Was sollen Sie mir sagen?«
    Er zerrte sie zwischen das Gebäude und eine Backsteinmauer. »Sag Miss Anne, dass sie singen soll.«
    Sie begann zu schreien, also schlug er sie in den Magen, hielt sie fest, während sie würgte, drehte ihr die Arme auf den Rücken und packte ihre Handgelenke.
    »Ich weiß einen Scheißdreck«, sagte sie schließlich. »Scheiß-Earl.«
    »Schon mal ’nen Stock über ’ne Ziegelwand gezogen? Ihn über Mörtel gekratzt?«
    Sie sagte nichts.
    »Das raspelt das Holz ab.« Er presste ihr Gesicht gegen die Wand, überall war ihr blondes Haar. »So ’n hübscher Vogel wie du.«
    Schluchzend stieß sie alles aus: ihre verdammten Hoffnungen und Träume und Earl Wall. Der Bruder unseres Mr. Wall. Irgend ’ne Schlampe, Venus mit Namen, zahlte für den Yank ein Zimmer oben, das verdammte Boxerzimmer. War jetzt nicht da, glaubte das maisblonde Schätzchen. Wusste es aber nicht, sollte aber später wieder zurück sein. Bitte. Bitte, nicht.
     
    Das Ticken der Uhr weckte Tom. Die Nachttischlampe warf ein fahles Licht ähnlich wie die Morgendämmerung, doch da die Verdunkelungsvorhänge zugezogen waren, konnte es jede Tages- oder Nachtzeit sein. Spielte keine Rolle. Der Druck in den Schläfen war fort. Ein neuer Tag war angebrochen.
    Er hatte endlich geschlafen.
    Unter der Lampe lag ein Buch, der Einband wurde halb von einem zusammengefalteten Zettel verdeckt, daneben fünf halbgerauchte Zigaretten, die in einem Halbkreis ausgelegt waren. Er fasste nach dem Zettel, legte sein gesamtes Gewicht auf die verletzte Hand und fluchte. Sie war so empfindlich wie lange nicht mehr, pochte und fühlte sich an wie in Säure getaucht.
    Er hatte geschlafen, er schlief noch immer halb, und konnte kaum die ordentliche, geschwungene Handschrift lesen:
     
    Liebster T –
Noch ein Angebot. Bei diesem hier bestehe ich darauf,
 dass Sie es annehmen. (Die Kippen waren die Idee des
Hausierers. Ich hob Ihnen in die Jackentasche eine
Packung Players gesteckt, wenn seine nicht nach
Ihrem Geschmack sein sollten.)
Ich verbleibe
immer die Ihre
     
    Das Buch war ledergebunden, der Titel in Gold aufgeprägt: Tristram Shandy.
    Tom drehte es um. Er konnte es nicht glauben. Er hatte geschlafen, und das Buch war aufgetaucht. Wann hatte Audrey den Hausierer ausfindig gemacht? Endlich hatte er Ruhe gefunden …
    Ein Totschläger krachte auf seinen Hinterkopf. Licht blitzte auf, das Zimmer drehte sich, und er lag mit dem Gesicht auf dem Teppich.
     

26
 
4. Dezember 1941, Morgen
    Abendammer folgte Mr. Digby, dem möglicherweise illoyalen Abwehragenten, zu einem überaus charmanten Café, nur einen Katzensprung vom Broadcasting House entfernt. Es lag unter einer allzu lieblich gestreiften Markise und hatte die süßestkarierten Tischdeckchen, die man sich nur vorstellen konnte. War er wirklich übergelaufen? Auch wenn das nicht der Fall sein sollte, so war es nicht gerade nett von Digby, sich in die angenehme Wärme zu verziehen, während sie gramgebeugt an der Bushaltestelle stand und so tat, als warte sie auf den 53a oder den 88, die nicht kamen.
    Es hatte frühmorgens geregnet, und ein feiner Schleier hatte sich über die Stadt gelegt. Aber jetzt, um halb neun, stanken die Straßen nach Menschen, nach zu viel Parfüm und zu wenig Seife.
    Ein hässlicher Mann ging auf Digby zu und setzte sich dann zwei Tische weiter. Eine hässliche Frau setzte sich zu ihm, und sie aßen ein hässliches Frühstück. Digby aß allein. Nichts deutete auf seine Illoyalität hin, aber es war noch früh und – oh. Oh!
    Sie war nicht die einzige Person, die ein Auge auf Digby geworfen hatte.
    Jovial deutete Digby mit der Serviette auf einen älteren Mann in einem akkuraten blauen Anzug. Der

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