Alias XX
klappte zusammen, seine Zigarette flog quer durch das Zimmer. Rugg half ihm, sich am Boden aufzusetzen. Toms Atem kam stoßweise. Er sah die Zigarette auf dem Teppich vor sich hin glimmen und versuchte etwas zu sagen. Erfolglos.
»Wir werden hier mehr als nur Tabak plattmachen«, sagte Renard, »wenn du uns nicht das Paket gibst, Sonders Paket. Du kennst Sonder?«
»Nie von ihm gehört.«
»Wir wissen, dass du ihn kennst.« Renard zog seinen Plaidmantel aus und faltete ihn sorgfältig auf dem Tisch zusammen. »Und wie wir das wissen.«
»Ach, Sonder. Klar.«
»Er hat dir was gegeben.«
»Modetipps. Hat mir gesteckt, dass nur Gauner Plaidmäntel tragen.«
»Der Gang ist leer.« Renard trat Toms Zigarette mit der Schuhspitze aus. »Wir haben ein Schild aufgestellt, am Ende des Gangs. Was steht da gleich wieder drauf?«
»Dass da gottverdammte Wartungsarbeiten durchgeführt werden.«
»Wir sind ganz allein, Arschgeige.« Renard grinste zähnefletschend. »Und haben gute, dicke Türen.«
»Er hat mir nichts gegeben.«
»Wer ist er?«
»Ein Nachbar, ein alter Nachbar. Haben zusammen Poker gespielt.«
»Stimmt das?«
»Ich kenn ihn von den Staaten. Aus D.C.«
»D.C.«, sagte Renard. »Dann ist er also ein Yank, was?«
»So amerikanisch wie Apfelkuchen«, sagte Tom.
»Ein Apfel am Tag.« Renard holte ein Steakmesser aus der Tasche – es war zwanzig Zentimeter lang, die Schneide mit Rost überzogen. »Hab’s im Rinnstein gefunden. Hier ist alles irgendwie so schmuddelig.«
»Ich kenn keinen Sonder.«
»Aber er kennt dich. Und er ist so amerikanisch wie ein verdammtes Wiener Schnitzel. Rugg.«
Rugg schlug Tom mit der offenen Hand gegen die Schläfe. Tom wurden die Knie weggerissen, fast kippte er zur Seite. Sie wussten, dass Sondegger Deutscher war, kannten aber nicht seinen vollen Namen. Wussten von der Mikrofotografie – sie musste das »Paket« sein –, wussten aber nicht, dass sie sich im Buch auf dem Tisch befand. Falls sie sich in dem Buch auf dem Tisch befand …
Rugg hievte ihn in den Sessel und band die Handgelenke mit den Handflächen nach oben an den Armlehnen fest.
»Was für eine Schande«, sagte Renard und sah auf den Verband. »Es sickert ja durch. Ist ja widerwärtig.« Er riss an der Bandage. »Solltest dich wirklich besser drum kümmern.«
Tom sah hin und nahm es doch nur undeutlich wahr. Seine Hand war geschwollen und von roten Streifen bedeckt. Seine Hand ballte sich zur Faust, dann lockerte sie sich wieder. Sondegger hatte ihm einen Bleistift in die Handfläche getrieben …
»Wirklich widerwärtig«, sagte Rugg.
»Schmerzen machen dir ja nichts aus, was, Arschgeige? Zäh wie altes Stiefelleder. Zeit, dass wir dir ein wenig Kultur beibringen. Ich geh auch ganz sanft mit der Säge um.« Renard verstärkte den Griff am Messer und hielt es über Toms Hand. »Wie ein Chirurg.«
»Halt«, sagte Tom. »Ich werd euch alles sagen.«
»Klar. Die Frage ist nur, wann.«
»Sonder ist Deutscher. Er ist in London. Er arbeitet für den COI, für die Amerikaner. Das ist ein neuer Geheimdienst. Er …«
Rugg packte von hinten Toms Kopf und drehte ihn herum. »Wenn wir mit dir fertig sind, kümmern wir uns um dein Mädel.«
Tom spürte, wie die Halswirbel gedehnt wurden. Seine gefesselten Arme zuckten; er war am Rand der Ohnmacht. Wenigstens hatte er saubere Zähne.
»Ist ihm die Schnalle nicht scheißegal?«, sagte Renard.
»Ist ihm nicht egal«, sagte Rugg. »Oder, Wall?«
Ein stechender Schmerz schoss ihm in den Nacken. Er stand kurz davor, wegzutreten. Er versuchte noch zu sagen, brauch keine Bigband …
Rugg ließ los. »Knöpf dir die andere Hand vor, Kleiner. Die Linke.«
»Die andere Hand? Oho. Recht hast du.« Renard ließ das Messer herumwirbeln, bis er den Griff in der Faust hielt.
»Noch hast du ’ne gute Hand, Arschgeige, bis ich sie dir an den Stuhl hefte und sie schlimmer infiziere als das Geschwür an der anderen. Keine Hände, und die Handgelenke nur noch Stumpen. Ich geb dir sechs Sekunden. Fünf, vier …«
Harriet unterdrückte ein Seufzen, als Mr. Uphills Schatten über ihren Schreibtisch fiel. Sie hatte zu tun, sie konnte es sich nicht erlauben, Zeit zu verschwenden.
»Offiziell, Mrs. Wall, sind Sie was?«, fragte er. »Verbindungsoffizier des WIT.«
»An Tagen wie heute kann ich mich kaum daran erinnern.«
»Sie können sich in dieser Angelegenheit auf mein Wort verlassen.« Mr. Uphill klopfte auf den aufgeschlagenen Ordner, der auf ihrem
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