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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josephine Tey
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zu und tat etwas für seine Bildung, indem er vorübergehend Mr. Tanners Interesse an der menschlichen Rasse teilte. Aber auf die Dauer fiel ihm das schwer. Weder von Natur aus noch von Berufs wegen konnte er der Menschheit im allgemeinen Interesse abgewinnen. Seine Zuneigung, die angeborene wie die anerzogene, gehörte dem Individuum. Er kämpfte sich durch Mr. Tanners Statistiken und sehnte sich nach einem König in einem Eichbaum oder nach einem Besen, der an einen Mastkorb gebunden war, oder nach einem Hochländer, der sich an den Steigbügel eines angreifenden Kavalleristen hängt. Aber er konnte zumindest mit Befriedung feststeilen, daß der Engländer des 15. Jahrhunderts »Wasser nur zur Buße« trank. Dem englischen Arbeiter zur Zeit Richards III. schien die Bewunderung des Kontinents zu gehören. Mr. Tanner zitierte einen Zeitgenossen, der aus Frankreich schrieb:

    »Der König von Frankreich gestattet niemandem, Salz zu verwenden, das nicht zu einem von ihm willkürlich festgesetzten Preis gekauft worden ist. Die Soldaten bezahlen nichts und behandeln das Volk barbarisch, wenn es nicht nach ihrer Pfeife tanzt. Alle Weinbauern müssen dem König einen Vierten abgeben. Alle Städter müssen an den König jährlich hohe Summen für seine Soldaten zahlen. Die Bauern leben in großer Bedrängnis und Armut. Sie tragen keine Wolle am Leib. Ihre Kleidung besteht aus kurzen Sackleinwand-Wämsen, die Hose reicht nur bis zum Knie, die Beine sind nackt und der Kälte ausgesetzt. Die Frauen gehen alle barfuß. Das Volk ißt kein Fleisch bis auf das Schinkenfett in der Suppe. Auch dem Landadel geht es nicht viel besser. Wer eines Vergehens oder Verbrechens beschuldigt wird, muß sich einem geheimen Verhör unterziehen und verschwindet mitunter auf Nimmerwiedersehen.
    In England herrschen ganz andere Zustände. Keiner darf das Haus eines anderen ohne dessen Erlaubnis betreten. Der König darf keine Steuern erheben, noch die Gesetze ändern oder gar neue Gesetze erlassen. Die Engländer trinken niemals Wasser, außer zur Buße. Sie essen alle erdenklichen Sorten Fleisch und Fisch. Sie sind samt und sonders in gutes Wollzeug gekleidet und mit aller Art von Hausrat wohl versehen. Ein Engländer kann nur vor einem ordentlichen Richter angeklagt werden.«

    Und Grant hatte den Eindruck, daß auch der Bedürftige, der sein erstes Enkelkind von Angesicht zu Angesicht sehen wollte, immerhin das beruhigende Bewußtsein haben durfte, in jedem christlichen Haus Unterkunft und Verpflegung zu finden und sich nicht den Kopf zu zerbrechen brauchte, wovon er die Reise und die Wegzehrung bezahlen sollte. Dieses grüne England, mit dem er gestern abend eingeschlafen war, hatte recht viel für sich.
    Er schmökerte sich durch das 15. Jahrhundert und suchte nach menschlich interessanten Einzelheiten, nach Berichten, deren Lebendigkeit vielleicht auf den für ihn wichtigen Teil der Bühne ein wenig Licht werfen könnte. Aber das Buch widmete sich leider ganz und gar dem allgemeinen. Nach Ansicht von Mr. Tanner war Richards III. einziges Parlament das liberalste und fortschrittlichste, das es je gegeben hatte, und der löbliche Mr. Tanner bedauerte tief den Widerspruch, der zwischen Richards privaten Verbrechen und seinem offenkundigen Bemühen um das Gemeinwohl bestand. Das schien aber auch alles zu sein, was Mr. Tanner über Richard III. zu sagen hatte. Mit Ausnahme der Pastons, die unbeirrt durch die Jahrhunderte schwatzten, ermangelte dieser Bericht über die Menschheit in traurigem Maße der Menschen.
    Er ließ das Buch von seiner Brust gleiten und tastete mit der Hand nach der »Rose von Raby«.

V
    D ie Rose von Raby« erwies sich als ein Roman. Immerhin ließ das Buch sich leichter in der Hand halten als Tanners Verfassungsgeschichte von England. Es war überdies in jener schon fast wieder erträglichen Methode historischer Romane geschrieben, die sozusagen die Geschichte in Dialoge auflöst. Mehr eine phantasievolle Biographie als eine phantastische Erzählung. Evelyn Payne-Ellis, wer immer sie auch sein mochte, hatte Porträts und einen Stammbaum beigefügt und offenbar nicht versucht, einen altertümelnden Ton anzuschlagen. In seiner Art war das Buch eine ehrliche Arbeit.
    Aufschlußreicher als das Elaborat von Mr. Tanner.
    Viel aufschlußreicher.
    Grant war der Ansicht, daß man einen Menschen, über den nichts zu erfahren war, wenigstens ungefähr kennenlernen konnte, wenn man sich über seine Mutter informierte.
    Und so würde

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