Alibi
meinen Mantel ablegte.
Caroline strich um mich herum.
«Er wollte Poirot sprechen», sagte sie. «Er kam hierher, weil Mr. Poirot nicht zuhause war. Raymond dachte, er sei vielleicht hier oder du könntest ihm sagen, wo er steckt.»
«Ich habe keine Ahnung.»
«Ich versuchte, ihn zum Bleiben zu bewegen», fuhr Caroline fort, «er sagte aber, er wolle es in einer halben Stunde noch einmal versuchen, und ging dann ins Dorf. Sehr schade, denn Mr. Poirot kam wenige Minuten später zurück.»
«Hierher?»
«Nein, nachhause.»
«Woher weißt du das?»
«Durch das Seitenfenster», sagte Caroline kurz.
Ich dachte, wir hätten den Gegenstand nun erschöpft, doch Caroline war anderer Meinung.
«Gehst du nicht hinüber?»
«Wohin?»
«Zu Poirot natürlich.»
«Wozu, liebe Caroline?», fragte ich.
«Mr. Raymond wollte ihn sehr dringend sprechen», sa g te sie. «Du könntest erfahren, worum es sich handelt.»
«Neugier ist nicht meine Gewohnheit», bemerkte ich kühl. «Ich kann sehr angenehm leben, ohne genau zu wissen, was meine Nachbarn tun und denken.»
«Unsinn, James», erwiderte sie. «Du möchtest es ebenso gern wissen wie ich. Du bist nur nicht so aufrichtig, das ist der Unterschied. Du bist ein Heuchler.»
«Wahrscheinlich, Caroline», gab ich zu und zog mich in mein Arbeitszimmer zurück.
Zehn Minuten später klopfte Caroline an die Tür und trat ein. In ihren Händen hielt sie einen Topf mit Marm e lade.
«James», bat sie, «möchtest du nicht dieses Mispelgelee zu Mr. Poirot hinübertragen?»
«Kann Annie das nicht besorgen?»
«Sie bessert Wäsche aus. Ich kann sie nicht entbehren.»
Wir sahen einander an.
«Gut, gut.» Ich erhob mich. «Wenn ich aber dieses scheußliche Ding hinübertrage, gebe ich es nur an der Tür ab. Verstehst du?» Meine Schwester runzelte die Brauen.
«Natürlich», sagte sie. «Wer hat etwas anderes von dir verlangt? Falls du aber zufällig Mr. Poirot sehen solltest, könntest du ihm über die Stiefel berichten.»
Das war ein überaus geschickter Abschiedsgruß. Ich brannte darauf, das Rätsel der Stiefel zu erfassen. Als die alte Frau mit der bretonischen Haube mir die Tür öffn e te, hörte ich mich automatisch fragen, ob Mr. Poirot z u hause sei.
Der kleine Mann sprang auf und begrüßte mich lebhaft.
«Setzen Sie sich, lieber Freund», sagte er. «In den Lehnstuhl? Dort? Es ist doch nicht zu warm im Zimmer?»
Ich fand, es sei zum Umkommen, doch bezwang ich mich, das nicht zu sagen. Die Fenster waren geschlossen, und im Kamin prasselte ein lustiges Feuer.
«Engländer haben eine Sucht nach frischer Luft», bemerkte Poirot. «Luft ist eine schöne Sache, doch nur im Freien, wo sie hingehört. Was soll sie hier im Haus? Aber lassen wir diese banalen Erörterungen. Sie haben etwas für mich, nicht wahr?»
«Zweierlei», sagte ich. «Erstens: dies – von meiner Schwester.»
Ich reichte ihm den Topf mit dem Mispelgelee.
«Wie gütig von Miss Caroline, an ihr Versprechen zu denken! Und zweitens …?»
«Eine nicht unwesentliche Nachricht.»
Und ich berichtete über mein Gespräch mit Mrs. Ackroyd. Er hörte interessiert, aber ohne besondere Er regung zu.
«Es fängt an, sich zu klären», meinte er nachdenklich. «Und dies hat einen gewissen Wert, da es die Aussage der Haushälterin bestätigt. Sie sagte, wie Sie sich erinnern werden, dass sie den Deckel der Vitrine offen vorfand und ihn im Vorübergehen schloss.»
«Was halten Sie von ihrer Behauptung, dass sie in den Salon ging, um nach den Blumen zu sehen?»
«Oh, das haben wir nie sehr ernst genommen, nicht wahr? Es war offenbar nichts als eine in Eile ersonnene Ausrede einer Frau, die es für dringend nötig hielt, ihre Anwesenheit zu rechtfertigen, eine Anwesenheit, die – nebenbei bemerkt – Ihnen wahrscheinlich sonst nie aufgefallen wäre. Ich hielt es nicht für ausgeschlossen, dass ihre Erregung vielleicht mit der Vitrine zu tun hatte; jetzt aber, glaube ich, müssen wir eine andere Ursache dafür finden.»
«Ja», sagte ich. «Wen wollte sie treffen, als sie ausging? Und weshalb?»
«Glauben Sie, dass sie mit jemand zusammentreffen wollte?»
«Ja.»
«Auch ich glaube es», gab er nachdenklich zu.
«Übrigens», begann ich wieder, «soll ich Ihnen eine Nachricht meiner Schwester überbringen. Ralph Patons Stiefel waren schwarz, nicht braun.»
Ich beobachtete ihn scharf, während ich das sagte, und mir schien, als wäre er einen Augenblick lang verwirrt. Doch nur einen
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